PETRONIUS' "SATYRICON"
Die Frage der Gattungszugehörigkeit des "Satyricon"
Ein Blick auf den Titel ist,
was die Gattungszugehörigkeit betrifft, zunächst irreführend.
Beim Satyricon liegt die Versuchung nahe, Petrons Text dem in der
Überschrift anklingenden Genre der Satire oder dem Satyrspiel, das oft
derbe Späße zum Inhalt hatte, zuzuordnen. Doch es ist weitaus mehr.
Nicht umsonst bezeichnen Schanz-Hosius den Roman des Petronius als merkwürdigste
Erscheinung in der gesamten Literatur der Kaiserzeit. Denn auch heute
ist es unmöglich, das Satyricon einer bestimmten Gattung zuzuschreiben.
Die Vermischung von Prosa und Versen (z.B. das Gedicht über den Bürgerkrieg
119-124) legen die Vermutung nahe, dass Petrons Werk der Gattung der satura
Menippea angehört. Jedoch fehlt der Erzählung gänzlich
eine philosophische oder moralische Absicht.
Wir finden vielmehr eine Vermischung
verschiedener Gattungsmerkmale:
So ist das Verhältnis von Encolp und
Giton, der Streit um den Geliebten, das Ringen mit den Rivalen, denen sich Encolp
in der Gestalt von Ascyltos und Eumolp erwehren muss, die Trennung oder der Selbstmord
als einziger Ausweg aus dem Herzleid gattungstypisch für die Figurenkonstellation
und den Handlungsablauf des griechischen Liebesromans. Allerdings fehlt dem Satyricon
die Hochstilisierung des Liebespaares und ihrer Taten, wie es für diese Liebesromane
kennzeichnend ist. Denn Fehler und Schwächen haben Encolp und Giton in gleicher
Weise. So nimmt es das homosexuelle Paar nicht allzu ernst mit der sonst in dieser
Romankategorie so gepriesenen fides. Auch die ständigen Streiche,
Diebstähle (11) und Orgien (20ff.) wollen überhaupt nicht in das traditionelle
Konzept der hellenistischen Romane passen und legen so eher eine Gattungsparodie
nahe. Und weiter:
Die Gespräche unter den Gästen während Trimalchios
Gelage, die musikalischen und akrobatischen Darbietungen in den Gesprächspausen
(z.B. 35, 7 oder 53, 11) sowie das ständige Auftauchen anderer Teilnehmer
am Gastmahl (z.B. Habinnas in 65) lassen Elemente der Symposionliteratur erkennen.
Aber auch dieser Befund bleibt nicht vorherrschend, da vor allem die Gespräche
der Freigelassenen aufgrund ihrer sprachlichen und inhaltlichen Niveaulosigkeit
wie eine Parodie wirken.
Deutlich treten auch die Kennzeichen des Schelmenromans
hervor. Mit seinen Gefährten Ascyltos, Giton und später auch Eumolpus
schlägt sich die Hauptfigur Encolpius durch das Leben, heckt oft böse
Streiche gegen seine Mitmenschen aus und muss dafür auch nicht selten Prügel
einstecken. Die Folge dieses Vagabundierens ist ein häufiger Ortswechsel
(u.a. ein Bordell, die Orgie der Quartilla, Cena Trimalchionis, Schiffreise, Croton)
und die Bekanntschaft mit den verschiedensten Personen, die für einzelne
Individuen aus der Gesellschaft stehen. In den daraus entstehenden Sittenbildern
ergibt sich eine Schilderung der zeitgenössischen Moralzustände. Somit
ist das Satyricon auch unweigerlich mit der Gattung des Sittenroman
verbunden. Allerdings vermisst man hier die kritische Auseinandersetzung.
Auch
bei dem damals so beliebten Abenteuerroman, allen voran die Odyssee, nimmt Petron
Anleihen. Die typsichen Elemente des homerischen Epos, u.a. der Seesturm (114f.),
der Schiffbruch (115) und der Götterzorn als leitendes Grundmotiv, sind auch
bei Petron zu finden. Wir lernen sogar einen Charakter namens Circe (126ff.) kennen.
Doch auch hier überwiegt die Parodie, die viele homerische Motive ins Lächerliche
zieht. So wird Encolp, wie Odysseus, vom Götterzorn gebeutelt. Musste der
klassische Held aber damals unzählige Irrfahrten überstehen, schlägt
sich Encolpius im Satyricon von einem Liebesabenteuer zum nächsten.
Odysseus wird an seiner Narbe, der Held des Satyricon an seinem Geschlechtsteil
erkannt (105,9), und Giton hält sich, um Prügel zu entkommen, nicht
wie der klassische Held am Widder, sondern unten am Bett fest (97, 4).
Auch
Encolps Dialog mit seinem versagenden Geschlechtsteil erinnert teilweise wörtlich
an das Gespräch zwischen Aeneas und Dido (Aeneis, 469f.) aus Vergils berühmter
Aeneis.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Satyricon
nicht nur inhaltlich, sondern auch formal äußerst vielseitig ist. Man
kann durchaus hier von einem Potpourri reden, der satura lanx, die
stets parodistisch gefärbt ist.
Messy
did it on December, 27th and again on Mai 24th.