PETRONS SATYRICON
Trimalchios Aufstieg (75-77)
Nach dieser Nachricht, die wie ein Blitz einschlug, brgann Habinnas darum zu bitten, er solle doch aufhören zornig zu sein und sprach: "Niemand von uns ist unfehlbar. Wir sind Menschen, keine Götter." Dasselbe sagte auch Scintilla unter Tränen und bat ihn bei seinem Schutzgeist, nannte ihn dabei Gaius, sich zu beruhigen. Da konnte überdies auch Trimalchio seine Tränen nicht zurückhalten und sprach: "Ich bitte dich, Habinnas, so wahr du dein Vermögen genießen sollst: Wenn ich etwas verkehrt gemacht habe, spuck mir ins Gesicht. Ich hab diesen äußerst sparsamen Sklaven geküsst, nicht wegen seines Aussehens, sondern weil er sparsam ist: Er kann Zehntel ausrechnen, liest ein Buch vom Blatt, von seinen täglichen Einnahmen hat er für sich eine thrakische Toga machen lassen, von seinem Gekd hat er sich einen Lehnstuhl und zwei Schöpfkellen gekauft. Ist er es nicht würdig, auf den Händen getragen zu werden? Aber Fortunata verbietet es. Scheint dir das so, du arrogantes Weibsbild? Ich rate dir, die Suppe auszulöffeln, die du dir eingebrockt hast, du Falkenweib, bring mich nicht dazu, mit den Zähne zu knirschen, mein Liebchen: ansonsten wirst du mich kennenlernen. Du kennst mich ja: was ich einmal bestimmt habe, sitzt wie mit einem Reißnagel fest. Aber wir wollen uns an die Lebenden erinnern. Ich bitte euch, Freunde, dass es euch gut gehen soll. Denn auch ich war so wie ihr jetzt seid, aber durch meine Virtus hab ich es bis hierher geschafft. Das Herz ist es, das die Menschen macht, der ganze Rest ist Müll. "Ich kaufe gut und verkaufe gut." Der eine wird euch was anderes sagen. Ich zerspringe vor Glück. Du aber, Schnarchliese, weinst immer noch? Ich werd dafür sorgen dass du dein Schicksal beweinst. Aber, wie ich gerade zu sprechen begonnen hatte: meine Sparsamkeit hat mich zu diesem Reichtum gebracht. Ich bin so groß aus Asien gekommen wie dieser Kandelaber hier. Kurz gesagt: ich hab mich gewöhnlich täglich an ihm gemessen und auch um einen Schnabel mit Bart recht schnell zu haben, salbte ich mir die Lippen mit dem Öl aus einer Lampe. Trotzdem war ich 14 Jahre lang der Lustknabe meines Herren. Und was der Herr befiehlt, ist nicht schändlich. Dennoch habe ich auch meine Herrin höchstpersönlich befriedigt. Ich wisst, was ich meine: ich verschweige es, weil ich keiner von diesen Angebern bin.
Im übrigen, wie die Götter es wollen, wurde ich der Herr im Hause und siehe da hab ich ihm selbst den Kopf verdreht. Was sonst noch? Er machte mich dem Kaiser zum Miterben, und ich erhielt das Vermögen eines Senators. Dennoch ist niemanden niemals nichts genug: Ich wollte handeln. Um euch nicht mit vielen Worten aufzuhalten: Ich baute fünf Schiffe, lud Wein auf sie - damals war er sein Gewicht in Gold wert - und schickte sie nach Rom. Man hätte glauben können, ich hätte das befohlen: alle Schiffe erlitten Schiffbruch, eine Tatsache, kein Seemannsgarn. An einem einzigen Tag hat Neptun 30 Millionen Sesterzen verschluckt. Glaubt ihr, ich wäre von meinem Vorhaben abgefallen? Beim Hercules, dieser Verlust war mir egal, als ob nichts geschehen wäre. Ich fertigte andere Schiffe an, noch größer, besser und glückbringender, damit niemand sagen könne, ich sei kein tapferer Mann. Ihr wisst ja, ein großes Schiff besitzt auch große Tapferkeit. Wieder lud ich Wein darauf, Speck, Bohnen, Parfum und Sklaven. An dieser Stelle hat Fortunata ihre Sache noch anständig gemacht; denn sie verkaufte all ihr Geld, alle Kleider und gab mir 100 Goldstücke in die Hand. Das war die Hefe meines Vermögens. Schnell geschieh, was die Götter wollen. Mit einer einzigen Reise erlangte ich zehn Millionen Sesterzen. Sofort habe ich alle Grundstücke, die meinem Schutzherren gehört hatten, wieder erkauft. Ich erbaue ein Haus, kaufe Sklavenmärkte zusammen sowie Lasttiere; was auch immer ich berührte, wuchs an wie eine Honigwabe. Nachdem ich langsam mehr hatte als meine gesamte Heimat, Hände weg von der Tafel: Ich zog mich aus dem Handelsgeschäft zurück und begann, SKlaven auf Zins auszuleihen. Und freilich bestärkte mich, als ich mein Geschäft nicht mehr führen wollte, ein Astrologe, der zufällig in unsere Kolonie gekommen war, darin, ein Griechlein, Serapa dem Namen nach, ein Berater der Götter. Dieser sagte mir auch Dinge, die ich vergessen hatte; bis ins letzte Detail legte er mir alles dar; er kannte mein Innerstes; nicht nur dass er mir sagen konnte, was ich am Vortag gegessen hatte. Man hätte glauben können, er habe schon immer bei mir gewohnt.
Ich bitte dich, Habinnas - ich glaube, du warst dabei - du hast dir deinem Herren nach diesen Dingen gemacht. Du bist deinen Freunden gegenüber nicht glücklich genug. Niemand hat dir jemals angemessenen Dank erwiesen. Du besitzt Latifundien. Du nährst eine Schlange unter dem Flügel" und sprach weiter, warum soll ich es wohl nicht verraten - dass mir nur noch 30 Jahre, 4 Monate und 2 Tage zum Leben übrigblieben. Außerdem werde ich bald eine Erbschaft bekommen. Das sagt mir mein Schicksal. Wenn es mir aber noch gelingen könnte, meine Grundstücke in Apulien zu verbinden, hab ich zu Lebzeiten genug erreicht. Währen unterdessen Merkur wacht, hab ich mir dieses Haus erbaut. Wie ihr wisst, war es ne Bruchbude, jetzt ist es ein Tempel. Es hat vier Speisezimmer, 20 Schlafzimmer, zwei marmorierte Säulenhallen, oben eine Reihe von Kammern, das Schlafzimmer, in dem ich selbst zur Ruhe liege, den Wohnsitz dieser Schlange hier, und eine sehr gute Kammer für den Portier; eine Gastherberge fasst alle meine Gäste. Kurz, wenn Scaurus hierher kam, wollte er nirgends lieber einkehren und hat ja am Meer noch die Gastfreundschaft von seinem Vater her. Es gibt auch noch vieles andere, das ich euch gleich zeigen werde. Glaubt mir: Hast du ein As, so bist du auch eines wert. Hast du was, dann bist du was. So ist euer Freund, der ein Frosch war, jetzt ein Prinz. Stichus, bring mir unterdessen die Leichengewänder, in denen ich bestattet werden will. Bring auch noch eine Salbe mit und einen Schluck aus jener Amphore, aus der ich meine Gebeine waschen lasse."
12.5.2013