VERGILS AENEIS
Feier mit Dido (1, 627 - 756)
Aeneas schickt (denn die väterliche
Liebe lässt den Geist nicht zur Ruhe kommen) den schnellen Achates zu den
Schiffen voraus, um dies Ascanius zu berichten und ihn selbst zu den Stadtmauern
zu führen; die ganze Sorge des lieben Vaters liegt in Ascanius. Außerdem
befiehlt er Geschenke, die aus den ilischen Ruinen entrissen sind, zu bringen,
einen Mantel mit Goldfiguren bestickt und ein Umhang umsäumt mit safrangelben
Akanth, Schmuckstücke der Argiverin Helena, die sie aus Mykene als sie
unerlaubte Hochzeitsbilder in Pergama erstrebte, weggebracht hatte, ein wundersames
Geschenk der Mutter Leda; außerdem ein Szepter, das Ilione einst geführt
hatte, die älteste der Kinder von Priamus, und eine perlenbesetzte Halskette,
und eine Doppelkrone mit Edelsteinen und Gold. Um dies schnell auszuführen
hielt Achates den Weg auf das Schiff zu. Doch Cytherea schmiedet neue Listen,
neue Pläne in ihrer Brust, damit Cupido (d. h. Venus) in Gestalt und Gesicht
anstatt des süßen Ascanius kommt, und die Königin durch Geschenke
in leidenschaftlicher Liebe entflammt und ihren Gebeinen Leidenschaft einhaucht.
Freilich fürchtet sie die Verschlagenheit des Königshauses und die
tyrische Doppelzüngigkeit (Messy sez: Daran denken: Didos Bruder hat aus
Geldgier gemordet!!!); die wütende Juno brennt und in der Nacht kehrt die
Sorge zurück. Also spricht sie dies zu dem geflügelten Amor: "Mein
Sohn, meine Kraft, meine große Macht, Sohn, der allein die typhoneischen
Geschütze des höchsten Vaters verachtest, zu dir flüchte ich
mich und fordere flehend um deine Macht. Dass dein Bruder Aeneas auf dem Meer
und um alle Küsten herumgeworfen wird durch den Hass der bitteren Juno,
ist dir bekannt, und du hast oft meine Schmerzen geteilt. Nun hält die
Phönikerin Dido ihn und hält ihn mit schmeichelnden Worten auf, und
ich fürchte, wohin sich die Gastfreundschaft der Juno hinwendet: an einem
so bedeutenden Angelpunkt der Geschehnisse wird sie nicht rasten. Deshalb sinne
ich, vorher die Königin mit Listen zu umgarnen und in heißer Liebe
zu fesseln, damit sie sich nicht durch diese Macht ändert, sondern in großer
Liebe zu Aeneas festgehalten wird. Wie ich das machen kann, empfange nun meine
Überlegung: auf den Ruf des lieben Vaters hin, bereitet sich der königliche
Junge darauf vor, zur Stadt Sidonia zu gehen, meine größte Sorge,
und Geschenke zu bringen, die aus dem Meer und den Flammen Trojas übrig
geblieben sind; nachdem ich diesen einschlafen habe lassen, werde ich ihn im
hohen Cythera-Gebirge oder über dem Idalium an einem geheiligten Ort bewahren,
damit er weder etwas von unseren Listen weiß als auch ihnen hindernd dazwischen
treten kann. Du täusche in einer List seine Gestalt vor, eine Nacht lang,
nicht länger, und nimm als Junge die bekannten Gesichtszüge des Knaben
an, damit, wenn dich die fröhlichste Dido in ihrem Schoß empfängt
zwischen königlichen Tischen und Lyaeums-Wein, wenn sie dir Umarmungen
und süße Küsse gibt, verborgenes Feuer einhauchst und mit Gift
betörst." Amor gehorcht den Worten seiner lieben Mutter und streift
die Flügel ab und mit dem Schritt des Julus schreitet er freudig einher.
Doch Venus gießt dem Ascanius eine sanfte Ruhe durch die Glieder und die
Göttin hebt ihn im Schoß gehegt in die hohen Haine Idalias, wo ihn
leichter Majoran in voller Blüte umduftet und süßen Schatten
umfasst.
Cupido indessen ging gehorsam und brachte die königlichen Geschenke fröhlich,
geführt von Achates, den Tyriern. Als er eintraf, hatte sich die Königin
schon im prächtigen Speisesaal auf goldener Liegestatt niedergelassen und
den Platz in der Mitte eingenommen. Eben treten auch der Vater Aeneas und die
trojanische Jugend herzu und lagern sich auf die Purpurteppiche. Diener reichen
Wasser zum Händewaschen, bieten aus Körben Brot an und halten den
Gästen ihre kurzgeschorenen Köpfe als Tücher hin. Fünfzig
Dienerinnen sind im Haus, beauftragt, der Reihe nach die Speisen Gang für
Gang herbeizubringen und Opfergaben für die Penaten zu verbrennen. Hundert
andere Dienerinnen und ebenso viele gleichaltrige Diener setzen auf die Tische
die Last der Gerichte und stellen die Weinbecher auf. Auch zahlreiche Tyrier
kommen Ciber die heitere Schwelle herein und lassen sich nach Aufforderung auf
die bestickten Polster nieder. Sie bewundern die Geschenke des Aeneas, bewundern
Julus und das strahlende Antlitz des Gottes und die Worte, die er ihm nachahmt,
ebenso den Mantel und das Gewand, bestickt mit der gelben Akanthusborte. Aber
vor allem die Punierin, die Unglückselige, preisgegeben dem nahenden Verhängnis,
kann sich nicht sättigen; sie erglüht bei diesem Anblick und ist von
den Geschenken und dem schönen Knaben gleichermaßen bewegt. Der aber,
kaum daß er Aeneas umarmt und an seinem Hals verweilt und so der innigen
Liebe des vermeintlichen Vaters Genüge getan hat, läuft weiter zur
Königin. Sie hängt mit den Augen an ihm und mit ihrer ganzen Seele,
und manchmal nimmt Dido ihn zu sich auf den Schoß und liebkost ihn und
ahnt nicht, die Arme, welch ein mächtiger Gott von ihr Besitz ergreift.
Er aber, getreu seiner Mutter Aeidalia, beginnt allmählich Sychaeus auszulöschen
und versucht ihr Herz, das schon längst abgeklärt und solcher Gefühle
nicht mehr gewohnt ist, mit lebendiger Liebe zu gewinnen. Sobald die erste Ruhe
der Sättigung eintritt und die Tische fortgetragen sind, werden große
Krüge gebracht und Weinbecher umkränzt. Festlärm erhebt sich
in den Sälen, und Stimmengewirr tönt durch die weite Halle. Von den
goldgetäfelten Decken hängen brennende Leuchter herab und erhellen
mit feierlichem Fackelschein das Dunkel. Die Königin verlangte nun den
schweren Opferpokal aus Gold und geschnittenen Steinen, füllte ihn mit
ungemischtem Wein, wie Belus es getan und alle, die ihn nach Belus gebraucht
hatten. Plötzlich herrschte Schweigen in allen Räumen. "Jupiter,
der du, wie man sagt, den Gästen ihre Rechte gewährst, gib, daß
dieser Tag den Tyriern und den Ankömmlingen aus Troja ein Freudentag werde,
auf daß unsere Enkel noch seiner gedenken! Bacchus, der Freudenbringer,
und die gütige Juno sollen bei uns sein! Und ihr, o meine Tyrier, feiert
das Fest mit eurer besten Laune!" So sprach sie. Und sie goß einen
Opfertrank über den Tisch, und nach dem Opfer kostete sie als erste nur
mit den Lippen. Dann reichte sie den Kelch weiter an Bitias mit lautem Zuruf.
Der griff wacker zu und trank aus dem überschäumenden Pokal und leerte
das Goldgefäß. Nach ihm tranken die anderen Fürsten. Nun schlug
die vergoldete Kithara der lockige Jopas, den der Riese Atlas unterrichtet hatte.
Er besang den Wechselgang des Mondes und die Werke der Sonne, die Herkunft von
Menschen und Tieren, den Ursprung von Regen und Feuer, auch den Arktur und das
regenbringende Sternbild der Hyaden, das Paar der Trionen, und er sang auch
davon, warum im Winter die Sonnen so eilig wieder im Ozean untertauchen und
weshalb dann die Nächte so lange sich hinziehen. Die Tyrier spendeten ihm
lärmenden Beifall, und die Troer schlossen sich an. Und in wechselnden
Gesprächen zog die unglückselige Dido die Nacht in die Länge
und trank die Liebe in reichlichen Zügen. Vieles wollte sie über Priamus
wissen, vieles auch über Hektor, bald auch, mit was für Waffen der
Sohn der Aurora gekommen, bald von welchem Aussehen die Pferde des Diomedes
und von welcher Statur Achilles gewesen. "Weiter, mein Freund, und erzähle
uns alles von Anbeginn", bat sie, "die Hinterlist der Danaer und den
Untergang der Deinen und deine Irrfahrten. Denn schon den siebenten Sommer bist
du ja unterwegs und irrst umher zwischen Ländern und Meeren."
messy am 4. 8. 2001