Zur Intention der Facharbeit
Thema des Unterrichts war Sallusts Coniuratio Catilinae in einer repräsentativen Textauswahl. Unberücksichtig blieben dabei u.a. das Bellum Jugurthinum oder die Epistulae ad Caesarem. Deshalb ziehe ich ein anderes, der Problematik ähnliches Werk, zur vergleichenden Analyse heran. Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Werke sollen eine Veränderung in Sallusts Geschichtsauffassung belegen.
Einordnung des Parteienexkurses (41f.)
in das Gesamtwerk "Bellum Jugurthinum"
In dieser Monographie behandelt Sallust den Krieg Roms mit dem Numiderkönig
Jugurtha sowie die innenpolitischen Querelen in Rom zu dieser Zeit. Das Werk
besteht aus der Einleitung und drei großen Teilen. Es wird durch den Afrikaexkurs
(17-19) und den Exkurs über das Parteienwesen (41f.) gegliedert.
Im Proömium rechtfertigt Sallust seine historische Schriftstellerei (1-4).
Es folgt die Ankündigung des Themas (5,1-3).
Der erste Teil beinhaltet einen Rückblick auf die Vorgeschichte des jugurthinischen
Krieges bis zur Teilung Numidiens zwischen Adherbal und Jugurtha (5,4-16). Im
Mittelpunkt stehen die Hauptgestalt Jugurtha und sein Gegenspieler Micipsa.
Weitere Personen sind dessen Söhne Hiempsal und Adherbal. "Rom erscheint
nur am Rande in Gestalt der römischen Freunde und des zu Besonnenheit ratenden
Scipio". Der junge, charismatische, talentierte, erfolgreiche und machtgierige
Jugurtha wird dem greisen Micipsa unheimlich. Er überträgt nicht ohne
Arglist dem etwa 20-Jährigen den Oberbefehl über Hilfstruppen, die
den Bündnispartner Rom in seinem sehr gefährlichen Kampf gegen keltische
Stämme unterstützen sollen. Jedoch fällt Jugurtha nicht, sondern
gewinnt in kurzer Zeit die Freundschaft der Römer, insbesondere Scipios.
Er gerät aber auch in den Strudel der politischen Interessengruppen Roms.
Aufgrund eines Empfehlungsschreibens Scipios entschließt sich Micipsa,
sich Jugurtha nicht zum Feind zu machen, sondern durch Wohltaten zum Freund.
Er adoptiert ihn als rechtmäßigen Sohn. Eine verständliche,
aber verhängnisvolle Entscheidung. In den Worten des Sterbenden entdeckt
Jugurtha die Verstellung des alten Königs. Er sinnt auf Rache, welche in
einem Familienstreit beginnt und nach der Ermordung Hiempsals zu einer politischen
Affäre eskaliert. Rom wird eingeschaltet, und es folgt eine Anhörung
beider Parteien vor dem Senat. Durch hohe Bestechungsgelder erreicht es Jugurtha
einer Verurteilung wegen Mordes an Hiempsal zu entgehen und die Entscheidung
zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Das Gebiet Numidiens wird zwischen den Streitenden
aufgeteilt.
Ein geographischer Exkurs über Afrika (17-19), auf den ich nicht näher
eingehen möchte, wird eingeschoben.
Sallust beginnt nun mit der Darstellung der ersten Kriegshandlungen (20-40).
Die Hauptaufmerksamkeit liegt jetzt nicht mehr auf den Auseinandersetzungen
im numidischen Königshaus, sondern auf Jugurtha und Rom. Mehrere Handlungsstränge
laufen parallel ab. Sallust schreibt sowohl über die Ereignisse in Rom
selbst als auch über die in Numidien. Jugurtha fällt in Adherbals
Reich ein und besiegt diesen. Rom kann diesen Bruch des Friedensvertrages nicht
akzeptieren und beginnt einen Krieg mit Jugurtha. Aufgrund der Bestechlichkeit
der Entscheidungsinstanzen wird jedoch bald ein "gemauschelter Frieden"
zwischen den Kriegsgegnern abgeschlossen. Das Volk ist empört, und Sallust
legt dem Volktribun C. Memmius eine Rede in den Mund, die die Cliquenwirtschaft
und den Egoismus der Oberschicht hart angreift und eine Untersuchung der Ereignisse
in Afrika fordert. Unter Zusicherung freien Geleits erscheint Jugurtha Ende
111 v.Chr. für eine Befragung vor der Volkversammlung, die jedoch in einer
Farce endet, da der andere bestochene Volkstribun Baebius mit seinem Veto eine
Befragung verhindert. Nachdem sich nach einem weiteren Mord auch die Nobilität
von Jugurtha abwendet und der Senat ihn ausweist, beginnt der Krieg in Afrika
von neuem. Nach einigen erfolgreichen Operationen des 110 v.Chr. gewählten
Konsuln Spurius Postumius Albinus muss dieser für Neuwahlen zurück
nach Rom, und sein Bruder Aulus muss nach einer verlorenen Schlacht einem schmachvollen
Frieden mit Jugurtha zustimmen.
In Rom setzt das Volk ein Gerichtsverfahren gegen mehrer Mitglieder der Nobiltät
wegen verschiedener Verbrechen in der rogatio Mamilia durch. Die Verurteilten
werden verbannt. Sallust beklagt jedoch, dass es der Plebs nicht in erster Linie
um die res publica geht, sondern um die Befriedigung von Klassenhass. Die superbia
der Nobilität scheint nur abgelöst von der insolentia der Plebs.
An diese Stelle nun schiebt Sallust einen Exkurs ein, der zu den meistbehandelten
Stücken der Sallustforschung gehört.
Der Parteienexkurs wird am Anfang mit einem ceterum, am Ende mit der Rückkehrformel
quam ob rem ad inceptum redeo deutlich abgegrenzt. Thema ist wie schon vorher
der Sittenverfall in Rom und das Verhältnis zwischen Nobilität und
Plebs. Jedoch geht Sallust bis zum Fall Karthagos zurück, um von diesem
Zeitpunkt an herzuleiten, wie es zu der Lage kam, in der sich der Staat heute
befindet. Er macht klar, dass der Verlust des metus hostilis und ein Übermaß
an otium und res secundae die innenpolitischen Spannungen verursachten. Dieser
Exkurs hat auch wieder wie der vorrangehende gliedernde Wirkung und grenzt den
letzten Teil mit den erfolgreichen Feldzügen des Metellus (43-83) und des
Marius (84-114) ab.
Hier zeigt sich der Klassenkampf anhand des Konflikts der beiden Feldherrn des
Metellus, des Mitglied der alteingesessenen Nobilität, und des Marius,
des homo novus. Marius übernimmt nach einem nicht immer fairen Wahlkampf
um das Konsulat den Oberbefehl von Metellus. Das Buch endet mit der Gefangennahme
Jugurthas durch einen Hinterhalt der Römer und der Wiederwahl Marius zum
Konsul im Jahre 104 v.Chr.
Weitere konkrete Geschehnisse wie die Hinrichtung Jugurthas erfährt der
Leser bezeichnenderweise nicht bei Sallust. Hier sind wir auf andere Quellen
angewiesen.
Übersetzung der Kapitel 41, 42
Parteiwesen in Rom
[Im übrigen] ist die Unsitte der Parteiungen und Cliquenbildung und aller
weiteren üblen Machenschaften erst vor wenigen Jahren in Rom entstanden,
und dies infolge des Friedens und des Überflusses an den Gütern, die
die Menschen für die Wichtigsten halten. Denn vor der Zerstörung Karthagos
übten das römische Volk und der Senat friedlich und maßvoll
miteinander Politik aus; es gab unter den Bürgern keinen Streit weder um
Geltung noch um Herrschaft: Furcht vor dem Feind hielt die Bürgerschaft
bei ihren Tugenden. Sobald diese Angst aber aus dem Bewusstsein geschwunden
war, trat verständlicherweise das ein, was glückliche Verhältnisse
gern mit sich bringen: Zügellosigkeit und Überheblichkeit. So war
die in bedrängter Lage ersehnte Friedensruhe, als man sie erlangt hatte,
recht hart und bitter. Denn es begann nun die Nobilität ihre Stellung,
das Volk seine Freiheit willkürlich auszuspielen: Jeder erbeutete, plünderte,
raubte zu seinem Vorteil. So wurde alles in zwei Parteien auseinandergerissen,
wurde das Gemeinwesen, das in der Mitte gelegen war, zerfetzt.
Die Nobilität richtete durch ihre Cliquenbildung jedoch mehr aus, die Kraft
der Plebs, auf die Masse verteilt und zersplittert, vermochte weniger. Nach
dem Belieben nur >Weniger< wurde in Krieg und Frieden entschieden, im
Besitz derselben Leute waren Staatskasse, Provinzen, Ämter, Ehren und Triumphe;
das Volk wurde von Kriegsdienst und Armut bedrängt. Kriegsbeute schleppten
die Feldherren mit einigen wenigen fort; unterdessen wurden die Eltern oder
die kleinen Kinder der Soldaten von ihren Höfen vertrieben, wenn sie Nachbarn
eines Mächtigeren waren. So drang mit der Macht auch Habgier ohne Maß
und Bescheidenheit ein, besudelte und verwüstete alles, kannte nichts Wertvolles
und nichts Heiliges, bis sie sich selbst zu Fall brachte. Sobald sich nämlich
aus der Nobilität Männer fanden, die den wahren Ruhm einer ungerechten
Stellung vorzogen, geriet die Bürgerschaft in Bewegung und ein Bürgerzwist
gleichwie das Chaos einer Sintflut brach aus.
Denn nachdem Tiberius und Gaius Gracchus, deren Vorfahren im Punischen Krieg
und in anderen Kriegen viel für den Staat geleistet hatten, der Plebs die
Freiheit zu erringen und die Verbrechen der >Wenigen< aufzudecken begonnen
hatten, war die schuldgeplagte und dadurch schwergetroffene Nobilität bald
durch Bundesgenossen und durch das Latinervolk, manchmal auch durch römische
Ritter, welche die Hoffnung auf ein Bündnis (mit dem Adel) von der Plebs
getrennt hatte, den Aktivitäten der Gracchen entgegentreten. Zuerst hatte
sie Tiberius als Tribun, dann einige Jahre später nachher Gaius, als er
denselben Weg beschritt - als Mitglied des Dreierausschusses zur Gründung
neuer Ansiedlungen, zusammen mit Marcus Fluvius Flaccus mit dem Schwert getötet.
Immerhin, die Gracchen dachten bei ihrem Streben nach einem Sieg nicht maßvoll
genug. Aber für einen Guten ist es richtiger, selbst besiegt zu werden,
als auf verwerfliche Weise das Unrecht (anderer) zu besiegen. Diesen Sieg hat
nun die Nobilität in ihrer Eigensucht ausgenutzt und viele Menschen mit
dem Schwert oder durch die Verbannung ausgelöscht und sich für die
folgenden Zeiten mehr Anfeindungen als Macht erworben. Ein solches Handeln hat
sehr oft große Staaten zugrunde gerichtet, solange die einen die anderen
auf jede Weise besiegen und sich an den Besiegten allzu bitter rächen wollen.
Doch wenn ich mich daran machen wollte, über die Parteiinteressen und die
sittlichen Zustände des ganzen Staates bis in die Einzelheiten hinein oder
ihre Wichtigkeit zu reden, dürfte mir die Zeit früher ausgehen als
der Stoff. [Deshalb kehre ich zu meinem Gegenstand zurück.]
Einordnung der Archäologie in das
Gesamtwerk "De coniuratione Catilinae"
"Coniuratio Catilinae" ist die erste Monographie Sallusts. Die Breite
der Vorgeschichte mit dem Rückgriff auf die Gründung Roms, einen Einschub
wie den Bericht über die erste Verschwörung, Einzelschilderungen und
-züge wie das Bild der Sempronia gibt es im Jugurtha nicht mehr.
Auch kann man keine durchgehende Gliederung in drei Teile feststellen. Vielmehr
ist es so, dass Sallust seine Aufmerksamkeit wechselnd auf Catilina und die
res publica richtet.
Das Proömium behandelt hier dasselbe Thema wie im Bellum Jugurthinum Sallusts
Geschichtsschreibung (1-4,2)
Danach nennt er wie auch im Jugurtha sein Thema (4,3 - 5).
Sallust beginnt die Erzählung über die Verschwörung mit einer
Charakterisierung des Hauptverschwörers Catilina (5). Er entwirft das Bild
eines intelligenten, zähen aber moralisch völlig verkommenen Mannes,
dem jedes Mittel recht ist, um Macht und Reichtum zu erlangen. Die Frage nach
den Ursachen, die die Verschwörung erst möglich machten, führt
Sallust zu einem Exkurs über den Aufstieg und Fall des römischen Staates.
(6-13) - die sogenannte Archäologie. Er beginnt mit der Gründung Roms
und gibt das Ende des 3. Punischen Krieges als Wendepunkt in der römischen
Geschichte an. Von da an beginne der rapide moralische Verfall des römischen
Staates, da die fortuna zu wüten anfinge und alles durcheinander brächte.
Kapitel 14- 16 knüpfen an Kapitel 5. Der Leser erfährt von den früheren
Untaten Catilinas, wie der Entehrung einer Vesta-Priesterin und der Ermordung
seines eigenen Stiefsohnes sowie von der moralischen Verkommenheit seiner Anhänger,
zu denen alle Arten von Verbrechern aller Altersklassen gehören.
Kapitel 17 gibt zum ersten Mal Auskunft über konkrete Handlungen der Verschwörer
während ihrer Zusammenkunft im Haus Catilinas 64 v. Chr. Über das
Treffen selbst berichtet Sallust erst in den Kapiteln 20- 22. Zuvor schaltet
er einen Exkurs (18,1-19,6) über die sogenannte erste Verschwörung
im Jahre 66, dem ersten eigentlich folgenlosen Putschversuch Catilinas, ein.
Nun folgt Catilinas erste Rede zu seiner Anhängerschaft (20), eine Hasstirade
gegen die Nobilität. "Er spielt sich als Volkstribun und Sozialrevolutionär
auf, kann aber seine eigennützigen Ziele nicht verbergen". Seine Anhänger
durchschauen seine Rede und Catilina überzeugt sie erst völlig durch
Versprechungen von Macht und Geld.
Die Kapitel 23-25 schildern Catilinas Wahlniederlage. Als Catilinas Umsturzpläne
durch Verrat in den eigenen Reihen bekannt werden, fällt er bei der Wahl
zum Konsul durch und steigert trotz des Rückschlages seine Vorbereitungen
für einen militanten Krieg gegen den Staat.
Als Catilina auch bei den Wahlen im folgenden Jahr verliert, u.a. weil ein Anschlag
um seine Konkurrenten auszuschalten misslingt, beginnt er den offenen Kampf
gegen den Staat (26).
Nachdem er in verschiedenen Gebieten Italiens seine Armee aufgestellt hat und
auch in Rom ein Krieg vorbereitet ist (27/28), ergreift der Senat Gegenmaßnahmen
(29-32). So werden hohe Prämien für die den Verrat an den Verschwörern
ausgesetzt und Truppen gegen die Aufständischen entsandt. Zudem wird von
Konsul Cicero ein Verfahren gegen Catilina eingeleitet, das aber aus Mangel
an Beweisen ohne Erfolg bleibt.
Catilina verlässt Rom in Richtung seines Heerführers Manlius. Es folgt
ein Einschub mehrerer Briefe der streitenden Parteien (33-35), dann begibt sich
Catilina mit den insigna imperi zu seinem Heer (36,1). Im Gegenzug erklärt
der Senat Manlius und Catilina zu Staatsfeinden (36,1-3).
Hier schiebt Sallust erneut einen Exkurs ein. Die Pathologie (36,4-39,5) gibt
eine schonungslose Diagnose der politischen Situation Roms. Catilinas Anhängerschaft
ist aus mehreren Gründen so groß und in sich geschlossen: Zum einen
wegen des sozialen Elends in der Hauptstadt, zum anderen aufgrund der Zerrissenheit
der Führungsschicht in Optimaten und Popularen.
Nach diesem Exkurs beginnt die Darstellung des Scheitern der Verschwörung.
Die Maßnahmen des Senats zeigen Erfolg und die Verschwörer geben
sich manche Blöße (39,6 - 41). Die Allobroger schlagen sich auf die
Seite der Staatsgewalt (42 - 45). Nach der Enthüllung der Verschwörung
wird die Angelegenheit dem Senat vorgelegt. Das Volk steht nun wieder auf der
Seite Ciceros (46 - 49). Im Senat folgt ein Ringen darum, ob die gefangengenommenen
Verschwörer hingerichtet werden sollen oder nicht (50-54). Im Mittelpunkt
stehen hier die Reden Caesars (51) und Catos (52), und der Vergleich dieser
beiden großen Männer (53,2-54,6).
Kapitel 55 berichtet über die Vollstreckung des Todesurteils an den Inhaftierten
am 5. Dezember 63 v.Chr.
Die letzten Kapitel schildern das Ende Catilinas und seines Heeres (56 - 61).
Bei dem Versuch, die Überreste seines Heeres nach Gallien in die Freiheit
zu führen wird ihm von römischen Truppen der Weg versperrt. In dieser
Situation spricht er seinem Heer in der "Feldherrnrede" Mut zu. Er
stirbt heldenvoll in der folgenden Schlacht und Sallust scheint in seinem Ende
noch etwas von der virtus zu spüren, die den Staat einst groß werden
ließ.
Erläuterungen zu den Kapiteln: 6-13
Catilinas
Entartung ist im moralischen Verfall der römischen Gesellschaft begründet.
Sallust geht den Ursachen dieser Entwicklung nach. Seine Darstellung beginnt
mit der Gründung Roms und dem Verschmelzen der sittenlosen, aber ansässigen
Aboriginer und den organisierten, aber vagabundierenden Aeneaden. Das aufstrebende
Rom muss sich gegen die Angriffe feindlicher, neidischer Nachbarn wehren. Und
obwohl ihr nur wenige Bundesgenossen zur Seite stehen, überwinden die guten
Eigenschaften concordia, libertas und virtus, dieses neuen Volkes die übermächtigen
Feinde. Hilfe und Wohltaten schaffen neue Bündnisse. Die entartete Königsherrschaft
wird abgeschafft und durch das Prinzip von Annuität und Kollegialität
ersetzt, was neue Entartung erschweren soll. Da die Römer nun nicht mehr
für einen Herrscher sondern nur noch für sich selbst ihre Kräfte
einsetzten, folgt ein Wetteifern um virtus und gloria. Jedoch richtet sich dieses
Streben nur gegen die Feinde des Staates nicht gegen das eigene Gemeinwesen.
Sallust geht sogar so weit, zu behaupten, die Römer täten Gutes nicht
weil sie das Gesetzt dazu zwingt, sondern vor allem aufgrund ihrer Natur (9,1).
Diese virtus ist laut Sallust die geschichtstreibende Kraft, die es ermöglicht,
dass die material- und waffenmässig unterlegenen Römer trotzdem immer
siegen. Hier folgt ein Exkurs, in dem Sallust beklagt, dass die Römer in
Gegensatz zu den Athenern ihre großen Taten nicht dementsprechend literarisch
feierten. Ursächlich ist fortuna oder wie Sallust es ausdrückt: profecto
fortuna in omni re dominatur, "wirklich herrscht in jeder Sache doch das
Glück (die Fügung)" (Cat. 8,1)
Das Wesen der fortuna ist etwas, was Sallust sehr wichtig scheint. Wo fortuna
anfängt zu wüten verliert die Vernunft ihre Kraft. Dennoch markiert
ihr Auftreten die große, entscheidende Zäsur. Auf dem Gebiet der
Außenpolitik ist Rom auf dem Höhepunkt seiner Macht. Der letzte Feind,
die ewige Rivalin Karthago, ist völlig zerstört, den Römern steht
die gesamte bekannte Welt offen. Innenpolitisch jedoch entwickelt sich alles
zum Schlechten. Der moralische Verfall der Gesellschaft greift um sich. Die
Einheit, concordia, schlägt um in das egoistische Sterben jeden einzelnen
für sich selbst. Man kämpft nicht mehr gemeinsam für ein Ziel,
sondern bekämpft sich gegenseitig um Macht und Geld. Alles wird käuflich.
Freundschaft und Feindschaft werden nur noch nach dem Nutzen bewertet. Dies
ergreift wie eine Seuche nach und nach das ganze Volk. Zuerst streben die Menschen
nur nach Macht, gloria, anders als ihre Vorfahren jedoch mit unlauteren Mittel,
ein Streben, das zwar falsch, aber nicht so weit von der Tugend entfernt ist
wie die Habgier. Seit Sullas Gewaltherrschaft, der zweiten wichtigen Zäsur
der jüngeren römischen Geschichte, jedoch "kannten die Sieger
weder Maß noch Ziel. Alle raubten und plünderten. Im Orient war in
den Soldaten die Begehrlichkeit nach kostbaren Dingen erwacht. Verschwendung
und Unzucht, Verweichlichung und Schlemmerei rissen ein." Ursächlich
dafür, dass trotz der hervorragenden Ausgangsbedingungen, otium und divitiae
von vordem, eine solche Entwicklung eintritt ist fortuna, das Schickal, die
unberechenbare Macht, bei der auch das allen menschliche Handeln an seine Grenzen
gelangt und scheitert.
Vergleich der Exkurse
Beide Exkurse weisen viele
Gemeinsamkeiten auf. Sallust beschreibet beide Male dieselbe Entwicklung, deren
Wendepunkt der Fall Karthagos ist. Vorher herrschte concordia, Volk und Senat
arbeiten zusammen nicht gegeneinander, es gibt keine innenpolitischen Kämpfe,
ante Carthaginem deletam populus et senatus Romanus placide modestequeinter
se rem publicam tractabant. neque gloriae neque dominationis certamen inter
civis erat. (Jug. 41,2); concordia maxuma, minuma avaritia erat (Cat. 9,1).
Dann wurde die Situation erreicht, die sich eigentlich alle Menschen (auch heute
noch) wünschen. Es gab Frieden und materiellen Überfluß, denn
alle Feinde waren besiegt und die unterworfenen Gebiete besetzt. Den Römern
stand die gesamte bekannte Welt offen, otio atque abundantia earum rerum, quae
prima mortales ducunt (Jug. 41,1), Carthago... at stirpe interiit, cuncta maria
terraeque patebant (Cat. 10,1), otium divitiaeque, optanda alias (Cat. 10,2).
Aus moderner Sicht würde jeder, der nun eine Prognose für die Zukunft
abgeben müsste, wahrscheinlich sagen: Aufgrund der guten wirtschaftlichen
Lage prognostiziere ich eiteres Wachstum und einen gesunden Staat ohne große
innerpolitischen Krisen.
Diese Prognosen wären jedoch laut Sallust sehr falsch. Reichtum und Frieden
allein garantieren noch keine glückliche Zukunft. Denn in Rom trat gerade
in dieser Situation der moralische Verfall ein. Früher war der Staat groß
geworden durch Männer wie die Vorfahren der Gracchen, quorum maiores Punico
atque aliis bellis multum rei publicae addiderant (42,1 Jug), mit deren virtus
Sallust die unglaublichen Siege erklärt, igitur talibus viris non labor
insolitus, non locus ullus asper aut arduos erat, non armatus hostis formidulosus:
virtus omnia domuerat (Cat 7,5).
Die Phänomene, die zeigen, dass die moralische Situation der Gegenwart
eine andere ist, ähneln sich in beiden Exkursen. So beschreibt Sallust
in der Coniuratio das Verhalten Sullas Söldner: rapere, trahere, domum
alius, alius agros cupere, neque modum neque modestiam victores habere, foeda
crudeliaque in civis facinora facere (Cat.11,4). Im Jugurtha:praedas bellicas
imperatores cum paucis diripiebant, interea parentes aut parvi liberi militum,
uti quisque potentiori confinis erat, sedibus pellebantur ( Jug. 41,7f.). Auch
schildert er in beiden Exkursen die Entehrung des Göttlichen: sacra profanaque
omnia polluere (Cat. 11,6), und avaritia sine modo modesstaque ...nihil pensi
neque sancti habere (Jug. 41,9).
Diese ähnlichen Entwicklungen zeigt uns Sallust jedoch nicht anhand derselben
historischen Ereignisse. Die Archäologie handelt davon, wie aus dem besten
und schönsten Gemeinwesen das Schlechteste und Schändlichste werden
konnte, während im Parteienexkurs die Entartung des Parteienwesens im Mittelpunkt
steht.
Der Hauptunterschied zwischen den Exkursen liegt jedoch nicht in ihrem jeweiligen
historischen Kontext, sondern darin, wie Sallust versucht, diese Entwicklung
seit dem Fall Karthagos zu erklären. Bei all diesen Analogien bleibt ein
gravierender Unterschied hervorzuheben. In der Coniuratio kann Sallust diese
Ereignisse nicht rational erklären. Daher ist das Schicksal Schuld an dieser
Entwicklung, saevire fortuna ac miscere omnia coepit (Cat.10,1). Denn wie anders
ist das Paradoxon zu erklären, dass Männer, die Hitze, Kälte
ertragen haben, die in Unterzahl gegen besser ausgerüstet Heere gewonnen
haben, Reichtum und Ruhe zum Unglück würden. qui labores, pericula,
dubias atque asperas res facile toleraverant, iis otium divitiaeque, optanda
alias, oneri miseriaeque fuere (Cat10,2). Die moralische Unvollkommenheit der
Menschen scheidet als Ursache aus, hatte Sallust doch nur ein Kapitel vorher
geschrieben, sie täten Gutes nicht so sehr des Gesetzes, sonder eher ihrer
Natur wegen, ius bonumque eos non legibus magis quam natura valebat (Cat9,1),
Im Parteienexkurs im Bellum Jugurthinum gibt Sallust eine andere Erklärungsmöglichkeit.
Diese Entwicklung ist für ihn nicht mehr paradox, vielmehr seien superbia
und lascivia Phänomene, die der Wohlstnd gerne mit sich brächte, ea,quas
res secundae amant, lascivia atque superbia, incessere (Jug. 41,3). Denn das
Fehlen einer gemeinsamen Herausforderung führe dazu, dass sich jeder mehr
seine nur egoistischen Ziele verfolgt. Dies führt zu dem Kampf zwischen
den Parteien, dem auch die Gracchen zum Opfer fallen. Karthagos Fall ist nicht
zufällig der Wendepunkt der Entwicklung, denn sobald mit Karthago, der
letzte Feind, besiegt worden war, fehlte das, was die Bürgerschaft vorher
zu Eintracht und Gemeinsinn gezwungen hatte. Die Furcht vor dem Feind: ante
Carhtaginem deletam populus et senatus Romanus placide modesteque inter se rem
publicam tractabant, neque gloriae neque dominationis certamen inter civis erat:
metus hostilis in bonis artibus civitatem retinebat (Jug. 41,2).
Schlussfolgerung
Sallust
Geschichtsauffassung hat sich von seiner ersten Monographie, der Coniuratio
Catilinae, zum Bellum Jugurthinum hin gewandelt. Er ist skeptischer und pessimistischer
geworden: Im Jugurtha ist keine Rede mehr davon, dass der Mensch von Natur aus
gut sei. Aber sein Erklärungsversuch ist rationaler. Nicht mehr eine übernatürliche
Macht, fortuna, ist Schuld am Verfall des römischen Staates, sondern die
Menschen selbst. Die Verantwortung, die der Einzelne trägt, ist ungleich
größer. Die Gracchen sind schon in die richtige Richtung gegangen,
wurden jedoch von der Nobilität auf das Grausamste bekämpft. Beide
Gruppen tragen Schuld, auch die Gracchen auch nicht schuldlos, weil sie in ihrem
Streben nach einem Sieg nicht immer maßvoll waren, et sane Gracchis cupidine
victoriae haud satis moderatus animus fuit (Cat. 42,2).
Büchner weist in der römichen Literaturgeschichte darauf hin, dass
der ältere Sallust in den Historien frei von jeder Verklärung der
Vergangenheit- so in der Coniuratio- die Dämonie des Politischen gänzlich
desillusioniert begreift. Eine Entwicklung, die schon im Jugurhta deutlich zutage
tritt.
Eine Entwicklung zeigt sich auch in Sallusts Sprache und Stil. Während
er in der Coniuratio noch oft zwischen den Taten Catilinas und den Gegenmaßnahmen
des Staates springt, lässt sich das Bellum Jugurthinum in drei Hauptteile
gliedern. Der Parteienexkurs ist deutlich mit ceterum am Anfang und einer Rückkehrformel
abgegrenzt, während diese Merkmale bei der Archäologie noch fehlen.
Die im Erstlingswerk entwickelten Stilmerkmale nehmen zu z.B.: der Infinitivus
historicus.
Der Stil wird knapper. Es verschwinden crudelitas, cupiditas, während cupido,
lubido, saevitia bleiben. Das in der Coniuratio gern gebrauchte formidulosus
lässt Sallust später ganz fallen. Seine Vorliebe für das ausdruckstärkere
Wort steigt.
Sallust ist reifer, älter geworden. Er hat neue Einsichten gewonnen. Sein
Werk zeigt eindeutig eine markante Entwicklung sowohl in der Form wie auch im
Gedanken
Literaturverzeichnis
Ahrens, E., Lateinausbildung
im Studienseminar, Frankfurt a.M. ²1966
Albrecht, M.v., Geschichte der römischen Literatur, Bd.1, München
²1994
Büchner, K., Die römische Literaturgeschichte, Suttgart 1957
Büchner, K. Sallust, Heidelberg 1960
Leggewie, O., Kommentar, Padeborn o.J.
Sallust, Bellum Jugurthinum, Hrsg Büchner, K, Stuttgart 1971
Sallust, Bellum Jugurthinum, Hrsg. Koestermann, E., Heidelberg 1977
Sallust, Coniuratio Catilinae, Hrsg. Büchner, K., Stuttgard 1972
Sallust,, Coniuratio Catilinae, Hrsg. Zink, N., Frankfurt a.M. 1977
Sallust, Werke lat. u. dt, Eisenhut, W., und Lindauer, J., München/Zürich
1985
www.latein-lk.de [Stand
27.Februar 2001]
Anhang
Sallust Kurzbiographie
Eine knappe, aber prägnante Biographie Sallusts gibt Michael Albrecht in
seiner "Geschichte der römischen Literatur":
"Das Leben des ersten großen Geschichtsschreibers der Römer...
ist am Anfang von der Diktatur Sullas, am Ende vom Triumvirat überschattet.
Dazwischen liegen die Erfolge des Pompeius im Osten, die catilinarische Verschwörung,
die Siege Caesars in Gallien, seine Alleinherrschaft und sein Tod. So erlebt
Sallust zugleich die gewaltige Expansion des Reiches und den inneren Zusammenbruch
der Republik.
Im Jahre 86 v. Chr. zu Amiternum im Sabinerland geboren, gehört C. Sallustius
Crispus ursprünglich nicht dem Senatorenstand, sondern dem kleinstädtischen
Adel an. ...Zu einem unbekannten Zeitpunkt wird er Queastor und im Jahre 52
v.Chr. Volkstribun. Locker Lebenswandel - und caesarische Gesinnung - führen
(50 v.Chr.) zum Ausschluss aus dem Senat. Jedoch sorgt Caesar für Sallusts
Rehabilitierung und lässt ihn im darauffolgenden Jahr eine Legion befehligen.
Sallust erleidet eine Niederlage. Als designierter Praetor misslingt es ihm
in Campanien meuternde Truppen Caesars zu beschwichtigen; im folgenden Jahr
nimmt er am Afrika-Feldzug teil. Aus der Provinz Nova, die er als Statthalter
verwaltete, kehrt er 45 oder Anfang 44 v.Chr. nach Rom zurück und entgeht
nur mit der Hilfe Caesars einer Anklage wegen Bereicherung. So kann er die >sallustinischen
Gärten< auf dem Quirinal und einen Landbesitz Caesars bei Tibur erwerben.
Spätestens nach dem Tod des Diktators zieht er sich aus der Politik zurück
und widmet sich der Schriftstellerei. Er stirbt im Jahre 35 oder 34 V. Chr.
Die Verschwörung des Catilina, seine erste Monographie (Cat. 4.), datiert
man (wegen 53,6-54,4) nach Caesars Tod, das Bellum Jugurthinum in die Zeit des
Triumvirats (wohl um 42 v.Chr.). Die Arbeit an den Historien füllt Sallusts
letzte Lebensjahre (um 40 n. Chr.)."
12 Selbständigkeitserklärung
Erklärung:
"Ich erkläre, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt
und nur die im Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel
benutzt habe. "
Münster, den 28.02.2001
... das glaube ich auch! Diese Facharbeit kam von Antonia Langanke am 4. 3.
2001. Mit dem ins Netzstellen hab ich mir allerdings Zeit gelassen, deswegen
gibt´s die Facharbeit erst seit 19. 3. 2001 bei MGL. Übrigens Danke,
Toni. Sieht nach einem Haufen Arbeit aus!