Rosenstolz: Amo vitam


Der Song kam – wenn ich mich noch recht erinnere - im September 2000 raus. Für mich der erste "richtige" Song in der Popwelt, der komplett auf Lateinisch gesungen wird. Die Zeilen lauten: "Amo vitam, amo generem. Tamen qua re sum sola?" Und bei "Amo generem" liegt eben der Hund begraben...
Cool: Der Song ist eigentlich ganz gut. Das ist schon mal ein Sympathiepunkt. Außerdem haben die beiden (oder deren Songschreiber, ich hab keine Ahnung...) seit langer Zeit oder vielleicht sogar zum ersten Mal einen Pop-Song komplett auf Lateinisch verfasst. Und zwar mit eigenem Text und nicht so wie so manch anderer, der nur Zeilen wie "Veni, vidi, vici" verwurstet hat (Wer kennt ihn nicht mehr, den glorreichen Technoakt „Imperio“…)

Uncool: Die Form "Generem" bereitet dem geschulten Ohr so manches Kopfzerbrechen… Verzeihung, schlechtes Bild: Trommelfellriss. ¡Achtung! jetzt kommt Grammatik: Das Wort, von dem man vermuten könnte, dass die Form "generem" abstammt, ist "genus". Nur ist "genus" vom Geschlecht her Neutrum. Von daher lautet der Akkusativ nicht "generem", sondern wie der Nominativ, nämlich "genus". Allerdings hätte die Vokabel "genus" im Textzusammenhang überhaupt keinen Sinn: "Amo genus" = "Ich liebe die Art"?  Interessant. Zum Glück schweben im dazugehörigen Musikvideo die Zeilen in mehreren Sprachen über den Bildschirm und so werden wir belehrt, dass "Amo generem" "Ich liebe Sex" bedeuten soll. Damit war ich mit meinem Latein am Ende, weil ich mir die Form "generem" überhaupt nicht erklären konnte. Doch einer meiner Professoren an der Uni war es nicht. Ich habe keine Ahnung warum, aber irgendwie scheint er auch auf Rosenstolz gestoßen zu sein. Er nannte die Gruppe zwar beharrlich "Rosenstock", aber wir wussten schon, wen er meinte. Seiner Meinung nach käme diese Interpretation in Frage: der Textschreiber des Songs könnte irgendeinen Lateiner telefonisch kontaktiert haben, um seinen geschrieben Text "Ich liebe das Leben, ich liebe Sex. Warum bin ich aber dann trotzdem einsam?" übersetzen zu lassen. Die Römer hatten allerdings für den Ausdruck "Sex" keinen richtigen Begriff, aber eine Personifikation des Ganzen, nämlich Venus. Es wäre rein theoretisch möglich, dass der Lateiner den Ausdruck "Ich liebe Sex" telefonisch mit "Amo Venerem" übersetzt hat und der Textschreiber das nicht ganz verstanden hat und deswegen anstatt "Venerem" "generem" verstanden hat. Wäre möglich. Allerdings wenn man sich die Betonung von "generem" im Lied anhört, ist es total unwahrscheinlich, dass "Venerem" gemeint ist. Denn bei "Venerem" ist die zweite Silbe kurz, im Song ist sie lang. Richtig lang. Licht ins Dunkel bringt wohl nur der Mensch, der die Zeilen übersetzt hat. Wo bist du??? Hier hört man Beweisstück A...
Eine andere Lösung, die sehr interessant ist, kommt von Ulrich Metzger-Obermeier:
wenn ein Engländer oder Amerikaner (Marc Almond als Lyrics-Schreiber?), der des Lateinischen mehr oder weniger mächtig ist, die Worte "I love sex" übersetzen will, stößt er bei "sex" (male-female) im englisch-lateinischen Lexikon zwangsläufig auf "genus". Bei denen bedeutet ja „sex“ unter anderem auch „Geschlecht“. Steht ja in jedem englischsprachigen Passport. Oder bei Austin Powers: „Sex? Yes, please…“ Yeah Baby!