CICEROS "DE RE PUBLICA"

Gründe für die Politik (I, 1f., 8-11)

(1)... Aber Markus Cato, einem unbekannten und neuen Mann, von dem wir alle, die nach den selben Dingen streben, wie von einem Beispiel zu Betriebsamkeit und Tugend geführt werden, war es gewiss erlaubt, sich in Tusculum, einem heilsamen und nahegelegen Ort zu erfreuen. Dieser Trottel wollte lieber bis hin zum höchsten Alter in diesen Stürmen und Wellen hin- und hergeworfen werden [auf dem Staatsschiff], als in dieser Ruhe und Muße [auf Tusculum] aufs erfreulichste zu leben, obwohl ihn keine Notwendigkeit dazu zwang, wie diese glaubten. Ich übergehe die unzähligen Männer von denen jeder Einzelne zum Wohl diese Staates beigetragen hatten, die [nicht] weit entfernt sind, von der Erinnerung dieser/ unseren Zeit. Ich höre auf, jene zu erwähnen, damit nicht irgend jemand klagt, dass er oder irgendeiner von den Seinen übergangen worden sei. Dies eine bestimme ich näher [Ich beschränke mich auf diese], dass eine so große Notwendigkeit der Tugend dem menschlichem Geschlecht von der Natur und eine so große Liebe zur Verteidigung des Gemeinwohls gegeben ist, damit diese Kraft alle Schmeicheleien des Vergnügens und der Ruhe besiegt hat.

(2) Es ist aber nicht genug, Tugend zu besitzen, wie eine Kunst, wenn du sie nicht nutzt; wenn du sie auch freilich nicht benutzt, kann sie dennoch durch das Wissen selbst gehalten werden; dann ist die Tugend ganz im Gebrauch ihrer selbst gelegt. Der größte Nutzen ist die Leitung des Staates und die Vollendung dieser Aufgaben, über die sie in Winkeln laut reden, mit Taten und nicht durch Worte. Es wird nämlich nichts von den Philosophen gesprochen, was nicht von ihnen hervorgebracht und gefestigt ist und von denen die Rechtsordnungen der Bürgerschaft zerteilt sind? Woher kommt die Frömmigkeit oder von wem die Religion? Woher Völkerrecht oder eben diese bürgerlich genannte? Woher Treue und Geschlecht? Woher Scham, Selbstbeherrschung, die Flucht vor der Schande, Streben nach Lob und Ehre? Woher sie Tapferkeit bei Mühen oder Gefahren. Doch wohl von diesen die dieses, was geprägt ist, teils durch Lehren, teils aber durch Gesetze festgelegt haben?

(8) Und das Vaterland hat uns unter folgender Voraussetzung nicht dazu hervorgebracht und erzogen, dass sie keinerlei Erzieherlohn von uns erwarte und, weil es selbst nur unseren Vorteilen dient, unserer Ruhe eine sichere Zuflucht und einen abgelegenen und ruhigen Platz bietet, sondern dass es selbst die meisten und größten Teile unseres Geistes, Talentes und planmäßigenDenkens sich für ihren Nutzen beansprucht und uns nur soviel für unseren Privatgebrauch übrig lässt, wie sie selbst entbehren kann.

(9) Schon jene Ausflüchte, die sie für sich zur Entschuldigung heranziehen um desto leichter die Muße genießen zu können, sind sicherlich keineswegs anzuhören, wenn sie folgendes sagen: dass meistens Menschen, die keiner guten Sache würdig sind, sich mit dem Staat befassen, mit denen verglichen zu werden schmutzig sei, mit denen zu streiten aber schlecht und gefährlich sei, zumal wenn die Menge angeregt ist. Deshalb ist es weder die Aufgabe eines Weisen, die Zügel in die Hand zu nehmen, weil er die verrückten und ungezügelten Angriffe des Volkes nicht bändigen könne, noch sei es die eines Freien mit unreinen und entsetzlichen Gegnern zu kämpfen, entweder die Prügel der Beleidigung zu erdulden oder Ungerechtigkeiten, die für einen Weisen untragbar sind, zu erwarten; gleichfalls als ob es nicht irgend einen gerechteren Grund gebe für die Guten, Tapferen und mit großem Geist Ausgestattete, in die Politik zu gehen, als dass sie nicht dem Schlechten gehorchen müssen oder damit sie nicht erdulden, dass der Staat von den selben zerfleischt werde, während sie nicht imstande sind zu helfen, wenn sie es begehren.

(10) Von wem aber kann dieser Einwand endlich gebilligt werden, wenn sie leugnen, dass der Weise die Absicht hat, einen Teil des Staates zu übernehmen, wenn ihn wohl die Zeit oder Notwendigkeit zwingen. Gerade wie wenn jemandem eine größere Notwendigkeit mehr zustoßen kann, als uns; was hätte ich in diesen Angelegenheiten machen können, wenn ich damals nicht Konsul gewesen wäre? Aber wie hätte ich Konsul sein können, wenn ich diesen Lebensweg nicht von Kindheit an beschritten hätte, durch den ich, aus dem Rittergeschlecht stammend, zu höchsten Ehren gelangte? Es ist also nicht möglich, aus dem Stegreif oder wenn du es willst, dem Staat beizustehen, wenngleich diese von Gefahren belastet wird, wenn du nicht in dieser Stellung bist, so dass es dir erlaubt sei dies zu tun.

(11) In der Rede der gelehrten Menschen pflegt es mir am meisten sonderbar zu erscheinen, dass die selben die verneinen, dass sie bei ruhigem Meer lenken können, weil sie es weder gelernt haben noch sich irgendwann darum kümmerten, es zu wissen, und dieselben versprechen, dass sie die Absicht haben, an die Ruder heranzutreten, bei höchst erregten Wellen. Jene pflegen nämlich öffentlich zu reden und sich darin auch viel zu rühmen, dass sie nichts über die Methoden einen Statt zu gründen oder zu schützen, weder jemals gelernt hätten, noch es jetzt lehrten, und sie glauben, dass das Wissen über diese Dinge nicht gelehrten Menschen und Weisen, sondern den fachkundigen zustehen müsse. Wie passt es deshalb zusammen, dass sie dann schließlich ihre Mühe dem Staat versprechen, wenn sie durch die Notwendigkeit gezwungen werden, obwohl sie, was doch viel leichter ist, auch wenn sie keine Notwendigkeit drückt, sie den Staat nicht lenken können.

Freilich gesetzt den Fall, dass es wahr wäre, dass ein Weiser nicht gewohnt ist, zu den Fragen der Politik freiwillig herabsteigt, er aber dann, wenn er von der Zeit gezwungen würde, dann diese Aufgabe schließlich annimmt, würde ich dennoch meinen, dass diese Wissen der Staatskunde der Weise keinesfalls vernachlässigen darf, deswegen weil dies von ihm alles vorzubereiten ist, von denen er nicht weiß ob es irgendwann nicht nötig ist alles zu gebrauchen.