CICEROS "DE RE PUBLICA"
Der Somnium Scipionis (IV, 9-29)
(9)
Als ich als Militärtribun bei Manius Manilius zur vierten Legion gekommen war,
war mir nichts lieber als dass ich den König Massinissa traf, einen aus gerechten
Gründen großen Freund unserer Familie. Sobald ich zu ihm gekommen war, umarmte
mich der Alte unter Tränen und ein wenig später sah zum Himmel auf und sagte:
"Ich danke dir, höchster Sol, und euch, ihr übrigen Himmelsgötter, dass ich,
bevor ich aus diesem Leben scheide, P. Cornelius Scipio in meinem Königreich und
in meinem Palast sehe, allein durch dessen Name ich schon auflebe; so schwindet
niemals die Erinnerung an diesen besten und unbesiegbarsten Mann aus meinem Geiste.
Dann erkundigte ich mich bei ihm über sein Königreich, er mich über unseren Staat,
und nachdem viele Worte hin und her gewechselt worden waren, war der Tag schon
vorüber.
(10) Danach aber wurden wir mit königlichem Aufwand bewirtet und führten unser Gespräch bis tief in die Nacht hinein weiter, wobei der Alte über nicht anderes als über Africanus zu reden und nicht nur an seine ganzen Taten, sondern auch an sein Gesprochenes zu erinnern. Sobald wir zum Schlafen gingen, umfasste mich, weil ich vom Weg ermüdet war und weil ich bis tief in die Nacht wach war, ein tiefer Schlaf als sonst. Hier zeigte sich mir Africanus - ich glaube deshalb, weil wir darüber geredet hatten; denn es geschieht wohl, dass unsere Gedanken und Gespräche im Schlaf so etwas hervorbringen, wie Ennius über Homer schrieb, über den er im wachen Zustand gewöhnlich sehr oft dachte und sprach - in der Gestalt, die mir von seinem Bild bekannter war als ihm selbst; sobald ich diesen erkannt hatte, schrak ich freilich zusammen, aber er sagte: "Fasse Mut und fürchte dich nicht, Scipio, und präge dir ein, was ich dir sagen werde.
(11) Siehst du jene Stadt, die von mir gezwungen wurde, dem Römischen Volk zu gehorchen, die früheren Krieg erneuert und nicht ruhen kann?" Er zeigte aber auf Karthago, vom erhabenen, sternenerfüllten, lichten und ganz hellen Platz aus. "Um diese zu erobern, kommst du jetzt fast nur als Soldat, diese wirst du innerhalb von zwei Jahren als Konsul zerstören, und dieser Beiname wird durch dich erworben sein, den du bis jetzt immer noch von uns als ererbt hälst. Wenn du aber Karthago zerstört hast, den Triumph gehabt, und Zensor bist, und als Gesandter Ägypten, Syrien, Asien und Griechenland besuchst, wirst du in Abwesenheit wieder zum Konsul gewählt, und einen sehr großen Krieg beginnen, und Numantia zerstören. Aber wenn du aber einem Triumphwagen auf das Capitol fährst, wirst du einen Staat antreffen, der durch die Pläne meines Neffen gestört ist.
(12) Hier, Africanus, wirst du dem Vaterland das Licht deines Geistes zeigen müssen, deines Talentes und deiner planenden Einsicht. Für diese Zeit sehe ich aber gleichsam einen doppelten Schicksalsweg. Denn wenn dein Alter achtmal sieben Jahresbahnen der Sonne umwunden hat, und diese beiden Zahlen, von denen jede andere aus einem anderen Grund für voll gehalten wird, durch den natürlichen Umlauf für dich die schicksalhafte Zahl erreicht haben, wird sich ein ganzer Staat an dich, den Einen, und an deinen Namen wenden, dich wird der Senat, alle Tüchtigen, alle Bundesgenossen, alle Latiner betrachten, du wirst der eine sein, auf den sich das Staatsheil stützt, und, kurz gesagt, wenn du den frevelhaften Händen der Nachbarn entkommen bist, wirst du den Staat als Diktatur beschließen müssen." Als dieser das ausgerufen und Laelius sowie die übrigen ziemlich heftig aufgeseufzt hatten, sagte Scipio mit leichtem Lächeln: "St! Bitte, weckt mich nicht aus meinem Schlaf auf und hört ein Weilchen noch den Rest."
(13) Aber damit du, Africanus, umso bereitwilliger bist, den Staat zu schützen, sollst du folgendes wissen: allen, die das Vaterland bewahrt, unterstützt und gefördert haben, sei ein sicherer Platz im Himmel bestimmt, wo die Glücklichen ewiges Leben genießen; denn nichts ist diesem Fürsten Gott, der die ganze Welt regiert, wenigstens von dem, was es auf Erden gibt, angenehmer, als die Versammlungen und die durch das Recht vereinten Zusammenkünfte von Menschen, die man Staaten nennt; nachdem ihre Lenker und Bewahrer von hier aufgebrochen sind, kehren sie wieder hier her zurück."
(14) Auch wenn ich nicht so sehr durch die Furcht vor dem Tod als durch die Furcht vor dem Hinterhalt von den meinigen erschrocken war, fragte ich hier dennoch, ob er selbst, der Vater Pallus und die anderen, die wir für ausgelöscht hielten, noch lebten. "Im Gegenteil", sagte er, "es leben die, die aus den Fesseln der Körper sowie aus einem Kerker entschwebt sind, unser Leben aber, von dem man spricht, ist der Tod. Warum blickst du nicht zu deinem Vater Pallus, der zu dir kommt?" Sobald ich ihn sah, vergoss ich freilich viele Tränen, er aber umarmte micht und hielt mich davon ab, zu weinen, indem er mich küsste.
(15) Und wie ich, nachdem ich zuerst das Weinen unterdrückt hatte, angefangen hatte, wieder reden zu können, sagte ich: " Bitte, heiligster und bester Vater, da ja dies das Leben ist, wie ich es Africanus sagen höre, was halte ich mich auf Erden auf? Warum beeile ich mich nicht, zu euch zu kommen?" "So ist es nicht", sagte er. "Wenn nämlich dieser Gott, dessen Tempel das hier alles, was du siehst, ist, dich nicht aus dem Gefängnis des Körpers befreit, kann dir der Zugang hierher nicht offen stehen. Denn die Menschen sind zu der Bestimmung erschaffen worden, um diese Kugel zu schützen, die du mitten in diesem Tempel siehst, die man Erde nennt, und ihnen gab man den Geist aus diesen ewigen Feuern, die ihr Gestirne und Sterne nennt; diese ,kugelförmig und sich drehend, beseelt durch göttlichen Verstand, vollziehen ihre Kreisläufe mit bewundernswerten Schnelligkeit. Deshalb muss der Geist von dir, mein Publius, und auch allen Frommen in der Gewahrsam des Körpers zurückgehalten werden und darf nicht ohne seinen Befehl, von dem jener euch gegeben wurde, aus dem Leben der Menschen schreiten, damit ihr euch nicht vor der menschlichen Aufgabe, die von Gott zugewiesen wurde, entzogen zu haben scheint.
(16)
Aber, Scipio, wie dieser dein Großvater, wie ich, der ich dich gezeugt habe, pflege
so die Gerechtigkeit und Frömmigkeit, die sowohl im Eltern- und Verwandtenkreis
wichig, im Vaterland aber das wichtigste bedeutet; dieses Leben ist der Weg in
den Himmel und in dieser Zusammenkunft derer, die schon gelebt haben und vom Körper
befreit diesen Ort bewohnen, den du siehst" - dieser war aber ein im hellsten
Glanz aufleuchtender Ring zwischen Flammen-, " den ihr Milchstraße nennt,
wie ihr es von den Griechen empfangen habt."
Von hier aus betrachtet
schien mir alles übrige herrlich und bewundernswert. Aber es waren diese Sterne,
die wir nie von der Erde aus sahen, und sie waren alle von einer Größe, die wir
niemals vermutet haben; von diesen war der der kleinste, der als letzter vom Himmel
aus, als nächster aber von der Erde aus, in einem fremden Licht leuchtete. Die
Sternkugeln übertrafen aber die Größe der Erde leicht. Schon schien mir die Erde
selbst so klein, dass ich mit unserem Reich, mit dem wir gleichsam nur einen Punkt
von ihr berühren, unzufrieden war (Soll heißen: Die Römer waren immer stolz
auf ihr Römisches Reich. In diesem Abschnitt kommt man vor allem auf seine unglaubliche
Größe zu sprechen. Allerdings wirkt dieses riiiiiieeeeeeeesige Reich im gesamten
Kosmos peinlich winzig, noch winziger als die Erde selbst, da das Römische Reich
nur einen Teil von ihr einnimmt [ Daher der letzte Satz: "... mit dem wir
nur einen Punkt von ihr berühren."]. Das gibt dem Römer schon zu denken...).
(17) Als ich diese genauer betrachtete, sagte Africanus: "Bitte, wie lange wird dein Geist am Boden festgehalten werden? Siehst du etwa nicht, in welche Tempel du gekommen bist? Alles ist in neun Kreisen oder besser Kugelschalen verbunden, von denen einer himmlisch ist, der äußerste, der die ganzen übrigens umfasst, der höchste Gott selbst, der die übrigen in Ordnung hält; an ihm sind jene ewigen Laufbahnen von Sternen geheftet, die sich drehen; diesem unterworfen sind sieben, die sich rückwärts in einer Gegenbewegung zum Himmel drehen; die höchste Kugelschale von ihnen besitzt jenen (Stern), den man hier auf Erden "Saturn" nennt. Dann gibt es jenen für das Menschengeschlecht günstigen und heilsamen Glanz, der Jupiter genannt wird; dann gibt es den rötlichen und für die Erdenbewohner schrecklichen, den ihr Mars nennt; dann behauptet die Sonne ungefähr unterhalb die mittlere Gegend, die Führerin, Fürstin und Leiterin der übrigen Himmelslichter, der Geist und die Lenkung der Welt, von solch einer Größe, dass sie alles in ihrem Licht anstrahlt und erfüllt. Wie Begleiter folgen ihr die Bahnen, einmal die der Venus, dann die des Merkur, und in der untersten Kugelschale bewegt sich der Mond, beleuchtet von den Strahlen der Sonne. Unterhalb aber gibt es nur Sterbliches und Vergängliches, außer den Seelen, die durch das Geschenk der Götter dem Menschengeschlecht gegeben wurden, überhalb des Mondes ist alles ewig. Denn die, die die Mitte und die neunte Schale ist, ist die Erde, und sie bewegt sich nicht und ist die unterste, und zu ihr werden alle Gewichte durch ihre Schwerkraft gezogen."
(18)
Als ich die staunend betrachtete, sagte ich, sobald ich mich wieder gefasst hatte:
"Was ist das? Was ist dieser so gewaltige und so süße Ton, der meine Ohren
erfüllt?"
Dies ist jener Ton, der verschieden in ungleichen, aber dennoch
in bestimmtem Verhältnis gesetzmäßig angeordneten Abschnitten durch Anstoß und
Bewegung der Kugelschalen selbst bewirkt wird und, indem er hohe und tiefe Töne
mischt, gleichmäßig verschiedene Harmonien verursacht; denn so große Bewegungen
können durch Stille nicht bewerkstelligt werden, und die Natur bringt es
mit sich, dass das Äußerste auf einen Seite tief, auf der anderen aber hoch tönt.
Deswegen bewegt sich jene sternentragende Himmelsbahn, deren Umdrehung schneller
ist, mit einem hohen, schrillen Ton, mit einem sehr tiefen aber tut es jene unterste
des Mondes; denn die Erde als neunte bleibt immer an einem Platz hängen, weil
sie unbeweglich bleibt und nimmt den Mittelpunkt des Weltalls ein. Diese acht
Laufbahnen, in denen zwei dieselbe Kraft haben (Genitivus possesivus, meine
Lieben...), verursachen aber sieben durch Abschnitte unterschiedliche Töne,
eine Zahl, die das Band aller Dinge ist; indem gelehrte Menschen dies durch Saiten
und Gesänge nachgeahmt haben, haben sie sich damit die Rückkehr an diesen Ort
gesichert, wie die anderen, die mit überragenden Talenten (könnte man auch
als Abl. abs. auffassen, klingt aber so einfach sinnvoller...) in ihrem irdischen
Leben überirdische Bemühungen gepflegt haben.
(19) Die Ohren der Menschen sind, weil sie von diesem Ton ständig erfüllt sind, taub geworden; kein Sinn bei uns ist stumpfer; wie an der Stelle, wo der Nil dorthin, was man Catadupa nennt, aus den höchsten Bergen herabstürzt, hat dieses Volk, das in der Nähe dieses Ortes wohnt, wegen der unglaublichen Lautstärke dieses Geräusches keinen Hörsinn. Dieser Ton aber ist durch die sehr rasche Umdrehung des ganzen Weltalls so gewaltig, dass die Ohren der Menschen es nicht vernehmen können, sowie ihr nicht gegen die Sonne sehen könnt, und eure Sehschärfe und -kraft von ihren Strahlen besiegt wird."
(20) Obwohl ich dies bewunderte, richtete ich dennoch meine Augen immer wieder auf die Erde. Da sagte Africanus: "Ich fühle, dass du nun auch den heimischen Wohnsitz der Menschen betrachtest; wenn dieser dir so klein scheint, wie er ist, sollst du immer diese himmlischen Dinge betrachten, verachte dieses Menschliche. Kannst du denn diese Berühmtheit im Munde der Menschen oder diesen erstrebenswerten Ruhm erreichen? Du siehst, dass auf der Erde an seltenen und unpässlichen Orten gewohnt wird und gleichsam auf diesen Flecken selbst, wo man wohnt, öde Einsamkeiten dazwischen geworfen sind. Du siehst auch, dass diejenigen, die die Erde bewohnen, nicht nur dadurch voneinander getrennt sind, dass sich nichts unter ihnen selbst von den einen zu den anderen verbreiten kann, sondern auch die Menschen, die zum Teil auf demselben Meridian, aber auf der südlichen Erdhälfte wohnen, teils zwar auf der nördlichen, aber auf dem entgegen gesetzten Meridian, schließlich solche sogar, die auf dem entgegen gesetzten Längen- und Breitengrad leben; von denen könnt ihr sicherlich keinen Ruhm erwarten.
(21) Du siehst aber dieselbe Erde, die gleichsam von einigen Erdgürteln umwunden und umgeben ist, von denen offensichtlich die zwei, die sich untereinander entgegengesetzt verhalten und von beiden Seiten auf die Scheitel des Himmels selbst gestützt sind, im Frost erstarrt sind, jene unglaublich große Mitte aber durch das Brennen der Sonne versengt wird. Zwei sind bewohnbar, von denen der südliche, auf dem die Bewohner euch die Fußspuren entgegen drücken, euch nichts angeht; dieser andere aber, der dem Nordwind unterworfen ist, und den ihr bewohnt, siehe, zu was für einen geringen Teil er sich auf euch beschränkt (etwas frei; normalerweise würde man sagen: "... wie er sich zu einem geringen Teil auf euch beschränkt." Klingt allerdings etwas seltsam). Denn die ganze Erde, die von euch besiedelt wird, ist eine kleine Insel, schmal an den Polen, breiter nach den Seiten zu, umgeben von jenem Meer, das ihr auf Erden das atlantische, das große, den Ozean nennt; du siehst, wie klein es dennoch ist trotz eines so großen Namens.
(22) Konnte etwa aus diesen bekannten und bewohnten Erdteilen selbst dein Name oder der eines beliebigen von uns diesen Kaukasus, den du siehst übersteigen oder über jenen Ganges herüberschwimmen? Wer wird in den übrigen äußersten Teilen der auf- und untergehenden Sonne oder des Nordens oder des Südens deinen Namen hören? Wenn du diese abziehst, siehst du erst recht, in welcher Enge sich euer Ruhm ausbreiten will. Aber selbst die, die über uns reden, wie lange werden sie sprechen?
(23) Ja, wenn sogar jene Generation der zukünftigen Menschen ununterbrochen die Lobeshymnen eines jeden von uns, die von den Vätern empfangen wurden, den Nachkommen überliefern wollte, könnten wir dennoch wegen der Überschwemmungen und Bränden auf Erden, die notwendigerweise zu sicherer Zeit zustoßen, nicht nur nicht ewigen, sondern nicht einmal lang anhaltenden Ruhm erreichen. Was liegt aber daran, dass von denen, die später geboren werden, über dich geredet wird (wö.: die Rede von dir sein wird), wenn nicht von denen geredet wird (wö.: wenn keine (Rede) ist), die davor geboren wurden, die nicht weniger und sicher bessere Männer waren, besonders weil selbst bei denen, von denen unser Name gehört werden kann, niemand das Gedächtnis eines einzigen Jahres erreichen kann?
(24) Denn die Menschen messen gewöhnlich ein Jahr nur nach der Umlaufszeit der Sonne, das heißt eines einzigen Gestirnes; in Wirklichkeit kann man aber erst dann, wenn alle Gestirne zu dem selben Punkt, von dem sie einmal aufgebrochen sind, zurückgekehrt sind, und nach langen Zeiträumen die Himmelsordnung des gesamten Alls wieder herbeiführen, jenes Jahr ein wirklich wendendes nennen; wie viele Generationen von Menschen darin zusammengehalten werden, wage ich kaum zu sagen. Denn wie die Sonne sich den Menschen zu verfinstern und ausgelöscht zu werden schien, immer wenn die Seele des Romulus selbst in diese Tempel eindrang, und die Sonne von derselben Stelle und in derselben Zeit sich wieder verfinsterte, dann erst ist ein Jahr ausgefüllt, wenn alle Gestirne und Sterne zum selben Ausgangspunkt zurückgerufen worden sind; du sollst auch wissen, dass von diesem Jahr noch nicht einmal der zwanzigste Teil vorüber ist.
(25) Wenn du deshalb an der Rückkehr an diesen Ort verzweifelst, auf der alles für große und herausragende Männer beruht, wie viel ist dieser Ruhm der Menschen endlich wert, der sich kaum auf einen kleinen Teil eines Jahres beziehen kann? Wenn du also aufwärts sehen willst (ist jetzt mal im Präsens übersetzt, weil es im Futur dämlich klingt) und diesen Wohnsitz und ewiges Heim betrachten magst, sollst du dich weder dem Gerede der Massen hingeben noch die Hoffnung deiner Dinge in menschliche Lohnungen setzen; die Leistung selbst soll dich mit ihren Verlockungen zum wahren Glanz führen; was die anderen über dich sagen, sollen sie selbst sehen; reden werden sie aber trotzdem. Dieses ganze Gerede wird aber auf diese Enge der Gegenden, die du siehst, beschränkt, das Gerede über jemanden war noch nie immerwährend und wird durch den Tod der Menschen verschüttet und durch die Vergesslichkeit der Nachfahren ausgelöscht."
(26) Als er das gesagt hatte, sagte ich: "Africanus, wenn wirklich denen, die sich um das Vaterland verdient gemacht haben, sozusagen ein Weg zum Himmelstor offen steht, will ich, obwohl ich von Kindheit an in deine Fußstapfen und die meines Vaters trat und ich euren Glanz nicht vernachlässigte, jetzt trotzdem, nachdem eine so große Belohnung von dir dargelegt wurde, viel wachsamer emporstreben." Und er: "Strebe nicht danach, sondern wisse folgendes: nicht du bist sterblich, sondern der Körper hier; denn du bist nicht der, den diese äußere Gestalt darstellt, sondern der Geist eines jeden ist es, nicht diese Gestalt, auf die man mit einem Finger zeigen kann. Du sollst wissen, dass du Gott bist, wenn es wirklich einen Gott gibt, der lebt, fühlt, sich erinnert, vorhersieht, der diesen Körper so leitet, lenkt und bewegt, dem er vorgesetzt ist, wie dieser führende Gott diese Welt; und wie der ewige Gott selbst die in gewisser Weise sterbliche Welt bewegt, so bewegt der ewige Geist den zerbrechlichen Körper.
(27) Denn was sich immer bewegt, ist ewig; was aber etwas bewegt, und selbst von etwas anderem getrieben wird, muss notwendigerweise, wenn die Bewegung ein Ende hat, auch ein Lebensende haben. Was sich also nur von allein bewegt, weil es niemals von sich im Stich gelassen wird, hört auch nicht auf, sich zu bewegen; ja sogar für das übrige, das sich bewegt, ist diese Quelle der Anfang der Bewegung. Aber einen Ursprung der Bewegung gibt es nicht; denn aus dem Ursprung entsteht alles, er selber kann aber aus keiner anderen Sache entstehen; denn das wäre nicht der Ursprung, der von etwas anderem hervorgebracht werden würde; wenn er aber niemals entsteht, kann er auch niemals vergehen. Denn ein ausgelöschter Ursprung wird weder selbst von einem anderen wiedererweckt noch aus sich einen anderen schaffen, wenn tatsächlich alles aus einem Ursprung entstehen müsste ("necesse est" kann man immer elegant mit "notwendigerweise" oder mit "müssen" übersetzen; erspart auf diese Weise verkorkstes Deutsch). So geschieht es, dass der Ursprung der Bewegung daraus entsteht, was von sich selbst bewegt wird; das kann aber weder geboren werden noch sterben; oder der ganze Himmel und die ganze Natur müsste stillstehen und keine Kraft erreichen, vor der sie, weil sie zu Beginn angetrieben wurde, bewegt wird.
(28) Weil es also feststeht, dass das ewig ist, was sich von selbst bewegt, wen gäbe es (übersetze ich jetzt einfach mal als Realis, ich bin so frei), der sagt, das dieses Wesen nicht den Seelen zugeteilt sei? Denn unbeseelt ist alles, das durch einen äußeren Anstoß angetrieben wird; was aber ein Lebewesen ist, das wird durch einen eigenen und inneren Antrieb bewegt (wenn ich´s nicht besser wüsste, würde ich "suo et interiore" im Deutschen einfach zusammenbasteln und "durch seinen inneren Antrieb" sagen; wenn das "et" nicht da wäre, hätte ich es auch schon längst gemacht...); denn dies ist die eigentümliche Natur und Kraft der Seele; wenn diese eine von vielen ist, die sich von selbst bewegt, dann ist sie mit Sicherheit nicht geboren und ewig.
(29) Übe sie in den besten Dingen! Am besten sind aber Überlegungen über das Heil des Vaterlandes, von denen getrieben und geschult die Seele schneller an diesen Sitz und sein Heim ans Ziel fliegen wird; und das wird umso schneller machen, wenn sie schon dann, obwohl sie noch im Körper eingeschlossen ist (Futur im Nebensatz klingt im Deutschen immer noch dämlich, deswegen ge-Präsens-t), nach draußen ragt (Futur wieder im Nebensatz ge-Präsens-t), und, indem sie betrachtet, was außerhalb ist, sich so gut wie möglich vom Körper loslöst. Denn die Seelen derer, die sich den körperlichen Freuden hingegeben haben und sich wie deren Diener zur Verfügung stellen und durch den Antrieb der Gelüste, die den Freuden gehorchen, die menschlichen und göttlichen Rechte verletzt haben, wälzen sich, sobald sie sich aus dem Körper befreit haben, um die Erde selbst herum und kehren nur zu diesem Platz zurück, nachdem sie durch viele Jahrhunderte getrieben worden sind." Er verschwand; ich löste mich aus dem Schlaf.