CICEROS "TUSCULANAE DISPUTATIONES"

CICERO UND DIE PHILOSOPHIE IN ROM

Bis zu dieser Zeit lag die Philosophie brach und hatte in der lateinischen Literatur kein Leuchten. Diese muss von uns beschienen und aufgerüttelt werden, damit wir, wenn wir als Beschäftigte unseren Mitbürgern irgendetwas nützten, auch jetzt als Geruhsame nützlich sind, sofern uns möglich. In dieser Hinsicht ist von uns umso mehr darauf hinzuarbeiten, weil man sagt, dass es schon viele Bücher in lateinischer Sprache gibt, die unüberlegt von Männern geschrieben worden sind, die freilich die besten, aber nicht gebildet genug waren. Es kann freilich geschehen, dass jemand (etwas) richtig meint und das, was er meint, nicht geschliffen ausdrücken kann; aber dass jemand seine Gedanken schriftlich fixiert, der sie weder niederschreiben noch erhellen noch den Leser mit irgendeinem Vergnügen (an sein Werk) heranlocken kann, ist Zeichen eines Menschen, der die Muße und die Literatur unbeherrscht missbraucht. Deshalb lesen sie selbst ihre eigenen Bücher nur mit den ihrigen, und kein Mensch fasst sie an außer denen, die wollen, dass ihnen dieselbe Willkür beim Schreiben erlaubt wird. Wenn wir uns deshalb etwas Rednerlob durch unseren Fleiß eingebracht haben, werden wir Quellen der Philosophie viel eifriger öffnen, aus denen auch jene (ungeschlachten Werke der anderen) flossen. Aber wie Aristoteles, ein Mann von höchster Begabung, begann mit Wissen und Beredtsamkeit die Jugendliche lehrte zu reden und die Weisheit mit Eloquenz zu verbinden, so gefällt es uns das frühere Studium der Rhetorik nicht aufzugeben und in dieser recht bedeutenden und ergiebigen Kunst zu verweilen. Denn ich habe immer diejenige Philosophie für die vollkommene gehalten, die über die größten Fragen beredt und ausgeschmückt sprechen kann; bei dieser Übungn haben wir uns so eifrig bemüht, dass wir es bereits gewagt haben, auch Unterricht nach Art der Griechen abzuhalten. Als neulich mehrere Bekannte nach deinem Weggang mit mir auf meinem Tusculanum waren, habe ich ausprobiert, wozu ich in dieser Hinsicht fähig bin. Denn wie ich vorher Prozesse geführt habe, so ist mir nun dies eine Redeübung für das Alter.