QUINTUS HORATIUS FLACCUS
Satire I, 1:
Wie kommt es, Maecenas, dass niemand mit dem Los zufrieden
ist, das ihm entweder die Vernunft gegeben hat, oder das ihm der blinde Zufall
widerfahren hat lassen, dass jeder die lobt, die ganz verschiedenen Dingen nachgehen?
O ihr glücklichen Kaufmänner, sagt ein von den Jahren
gebeugter Soldat, dessen Glieder durch schwere Arbeit geschwächt sind;
dagegen sagt der Kaufmann, als sein Schiff durch die Südwinde hin- und
hergeworfen wird: Der Kriegsdienst ist besser. Und warum? Man läuft
zusammen: In einem Zeitraum von einer Stunde kommt ein schneller Tod oder ein
freudebringender Sieg. Ein Rechts- und Gesetzesgelehrter lobt den Bauern,
sooft beim ersten Hahnenschrei ein Klient an die Tür klopft. Jener, der
nachdem Bürgen gegeben worden waren, vom Land in die Stadt gezogen wurde,
ruft, dass allein die glücklich sind, die in der Stadt leben.Alles Übrige
dieser Art- es gibt so vieles- vermag den schwätzerischen Fabius zu ermüden.
Damit ich dich nicht aufhalte, höre, worauf ich hinaus will. Wenn irgendein
Gott sagen dürfte, Nun denn, ich werde sogleich machen, was ihr wollt:
Du sollst, der du eben noch Soldat bist, Kaufmann sein. Du Bauer, der du eben
noch Rechtsbeistand bist: Ihr geht hierhin, ihr dorthin, nachdem ihr die Rollen
vertauscht habt: Los, was steht ihr noch da? Sie dürften nicht wollen:
Und doch wäre es ihnen erlaubt, glücklich zu sein.
Welchen Grund gibt es, dass verdientermaßen Juppiter über jene erzürnt,
beide Backen aufbläst und sagt, dass er künftig nicht so gnädig
sein werde, dass er den Wünschen Gehör schenke? Außerdem, damit
ich die Sache nicht so wie ein Possenreißer lachend erledige- indessen,
was verbietet es, lachend die Wahrheit zu sagen? Wie die schmeichelnden Lehrer
den Jungen Zuckerplätzchen gewöhnlich geben, dass sie die ersten Grundlagen
lernen wollen- aber dennoch lasst uns nachdem der Spaß vorbei ist,
zu ernsteren Dingen übergehen:
Jener, der die harte Erde mit dem schweren Pflug wendet, dieser treulose Schankwirt,
der Soldat, die Seeleute, die wagemutig durch das ganze Meer fahren, sie alle
sagen, dass sie in der Absicht die Mühe auf sich nehmen, um sich als Greis
in geschützte Muße zurüchzuziehen, nachdem sie sich Vorräte
angesammelt haben: So wie die kleine Ameise- denn sie dient als Beispiel- mit
großer Mühe mit dem Mund zieht, was auch immer sie kann, und es dem
Haufen hinzufügt, den sie aufgeschichtet hat, nicht unwissend und nicht
unbekümmert um die Zukunft.
Sobald der Wassermann das vergangenen Jahr verdüstert, kriecht diese aber
nirgendwoher hervor und eine Weise gebraucht nur jene, die sie auch vorher angesammelt
hat, während dich weder glühende Hitze von deiner Profitgier abbringt,
noch Winter, Feuer, Meer und Krieg, nichts steht dir im Weg, damit nur nicht
ein anderer reicher ist als du. Warum erfreut es dich, eine ungeheure Menge
Gold und Silber in der Erde heimlich zu verwahren, die du furchtsam aufgegraben
hast, die, wenn du sie zerschlägst, zu einem wertlosen As zusammengeschmolzen
wird? Aber wenn dies nicht geschieht, was hat dann ein aufgeschichteter Haufen
von Schönem an sich? Doch ein beträchtlicher Teil der Menschen, getäuscht
von der falschen Begierde, sagt: Nichts ist mir genügend, weil du
soviel wert bist, wie du hast. Was soll man mit so einem anfangen? Befiehl
ihm, arm zu sein, da er das gerne macht. Zum Beispiel soll ein Gewisser in Athen,
geizig und reich, die Stimmen des Volkes verachtet haben, wobei er gewohnt war,
so zu sagen: Das Volk pfeift mich aus, doch ich klatsche mir zu Hause
Beifall, sobald ich die Münzen in der Truhe betrachte.
Tantalus hascht dürstend nach Fluten, die von seinen Lippen gleiten. Was
lachst du? Unter Änderung des Namens wird die Geschichte auch von dir erzählt:
Du schläfst auf den von überall her zusammengetragenen Geldsäcken
und wirst gezwungen, sie gleichsam wie Heiligtümer zu schonen oder dich
zu freuen wie über Gemälde. Weißt du nicht, wozu die Münze
gut ist, welchen Nutzen sie gewährt? Brot dürfte gekauft werden, Gemüse,
ein Schoppen Wein, füge die Dinge hinzu, worüber die menschliche Natur,
wenn sie verweigert werden, Schmerz empfinden dürfte. Oder erfreut dich
dies, vor Furcht halb tot zu wachen, Tage und Nächte lang, die bösen
Diebe zu fürchten, die Brände, die Sklaven, damit sie sich nicht fliehend
ausplündern. Ich möchte wünschen, immer der Ärmste dieser
Güter zu sein.
Aber wenn der vom Schüttelfrost heimgesuchte Körper Schmerz empfindet,
oder wenn ein anderes Unglück dich ans Bett fesselt, hast du dann einen,
der bei dir sitzt, der Umschläge macht, den Arzt herbeiruft, dass er dir
emporhelfe und dich den Kindern und teuren Nahestehenden zurückgibt? Keine
Frau will, dass du gesund bist, kein Sohn; alle Nachbarn, Bekannten, Knaben
und Mädchen hassen dich. Wunderst du dich, da du alles dem Silber hintennach
stellst, wenn niemand dir Liebe erweist, die du gar nicht verdienst? Oder wenn
die Verwandten, die dir die Natur ohne besondere Mühe gegeben hat, erhalten
und als Freunde bewahren wolltest, dürftest du dir ohne Erfolg Mühe
geben, wie einer, wenn er auf dem Marsfeld einen Esel den Zügeln gehorchend
zu Laufen lehrt. Es ist ein Maß in den Dingen, es gibt schließlich
sichere Grenzen, diesseits oder jenseits dieser das Recht nicht bestehen kann.
Dorthin, von wo ich abgescheift bin, kehre ich zurück: Wieso ist keiner,
soweit er ja habgierig ist, mit seinem Schicksal zufrieden und lobt lieber die,
die ganz verschiedenen Dingen nachgehen, und verzehrt sich, weil eine fremde
Ziege ein strotzenderes Euter trägt, er dürfte dich abmühen,
jetzt diesen, bald jene zu übertreffen. Für den, der sich in dieser
Weise abmüht, steht immer ein Reicherer im Weg, wie wenn das Pferd den
aus den Schranken geschickten Wagen fortreißt, der Wagenlenker den Pferden,
die die Seinigen besiegen, droht, wobei er jenen Wagenlenker geringschätzt,
der von ihm überholt worden ist, und unter den Letzten fährt.
Daher geschieht es, dass wir selten einen finden können, der von sich sagt,
er habe glücklich gelebt und der nach Ablauf der Zeit zufrieden aus dem
Leben scheidet wie ein gesättigter Gast.
Schon ist es genug. Damit du nicht glaubst, ich hätte die Behälter
des triefäugigen Crispinus ausgeplündert, will ich kein weiteres Wort
hinzufügen.
Auch diese Übersetzung stammt von der treuen MGL-Anhängerin Sigrid Ertl. Irgendwann muss ich der Frau einen Orden verleihen...