TITUS LIVIUS' "AB URBE CONDITA"

Dezemvirat - Aufstellung der Gesetzestafeln

31(7) Dann verhandeln nach der Verwerfung des Gesetzes, das bereits mit der Bekanntmachung bedeutungslos geworden war, die Tribunen milder mit den Senatoren (Vätern): Sie sollten endlich ein Ende der Streitigkeiten machen. Wenn die von den Plebejern verfassten Gesetze schon nicht gefielen, so sollten jene doch wenigstens zulassen, dass Antragsteller für die Gesetze sowohl aus der Plebs als auch aus den Senatoren, die beide nützliches einbringen sollten und das, das zur Erreichung der Freiheit dient, gemeinsam gewählt wurden.
(8) Die Senatoren lehnten die Sache nicht ab; sie sagten, dass niemand außer einer von den Senatoren ein Gesetz erlassen werde. Als man über die Gesetze übereinstimmte, man nur über den Antragsteller uneins war, wurden die Gesandten Spurius Postumius Albus, Augustus Manlius und Publius Sulpicius Camerinus nach Athen geschickt und beauftragt, die berühmten Gesetze des Solon abzuschreiben und die Einrichtungen, Sitten und Rechte anderer Bürgerschaften Griechenlands kennenzulernen.

32(1) Vonseiten auswärtiger Kriege war es ein ruhiges Jahr, das nachfolgende unter dem Konsulat des Publius Curiaius und Sextus Quinctilius ruhiger, durch die ununterbrochene Stille der Tribunen, die zuerst die Erwartung der Gesandten, die nach Athen gegangen waren und der ausländischen Gesetze gewährte, und dann 2 zugleich gewaltige entstandene Übel:
(2) Hunger und Seuche, beide grauenhaft für den Menschen, beide grauenhaft für das Vieh. Die Äcker sind verwüstet worden, die Stadt entvölkert durch ununterbrochene Bestattungen; viele und auch berühmte Häuser waren in Trauer.
(4) Es war Ruhe vonseiten des Feindes.
(5) Hierauf waren Gnaeus Menenius und Publius Sestius Capitolinus Konsuln. Und nicht war in diesem Jahr ein auswärtiger Krieg, zu Hause (im Innern) sind Aufruhre der Plebs entstanden.
(6) Schon waren die Gesandten mit den attischen Gesetzen zurückgekehrt. Entschlossener dazu drängten die Tirbunen darauf, dass endlich ein Anfang gemacht würde, die Gesetze zu schreiben. Man beschloss (es gefällt), 10 Männer ohne Einspruchsrecht zu wählen und dass in diesem Jahr es kein anderes Amt gebe.
(7) Ob die Plebejer hinzugezogen werden sollten, war eine Zeit lang eine Streitfrage; Schließlich gab man den Senatoren nach, wenn sie nur nicht die „lex Icilia“ über den Aventin und andere geheiligte Gesetze abschafften.

33(1) Im 302. Jahr, nachdem Rom gegründet worden war, wird der Zustand des Staates ein zweites Mal geändert: durch Machtübertragung von den Konsuln auf die 10 Männer, wie sie vorher von den Königen zu den Konsuln gekommen war.
(2) Die Veränderung war weniger bedeutend, weil sie nicht von langer Dauer war. Denn diese glücklichen Anfänge dieses Amtes entarteten allzu sehr. Umso schneller ist die Sache (diese Amt) zu Fall gekommen und man ist wieder darauf zurückgekommen, dass Name und Macht der Konsuln Zweien anvertraut wurde. (3)Als 10 Männer wurden Appius Claudius, Titus Genucius, Publius Sestius, Lucius Veturius, Gnaeus Iulius, Aulus Manlius, Publius Sulpicius, Publius Curiatius, Titus Romilius und Spurius Pustumius gewählt.
(4) Dem Claudius und dem Genucius ist anstelle des Ehrenamtes dieses Ehrenamt zurückgegeben worden, weil sie als Konsuln für dieses Jahr bestimmt gewesen waren, und dem Sestius, dem anderen der Konsuln des vorherigen Jahres, weil er dies Sache gegen den Willen des Kollegen vor den Senat gebracht hatte.
(5) Diesen als im Rang die nächsten wurden die 3 Gesandten gehalten, sowohl damit für die so lange Gesandschaft die Ehre als Belohnung diene, als auch glaubten sie, dass sie kundig der ausländischen Gesetze nützlich sein werden für die Schaffung neuer Gesetze.
(6) Die übrigen ergänzten die Zahl. Sie berichten, dass auch Männer ausgewählt wurden, gezeichnet durch das Alter, für die jüngsten Abstimmungen, damit sie umso weniger trotzig Widerstand leisten den Beschlüssen der anderen.
(7) Die Leitung des ganzen Amtes lag in den Händen des Appius, aufgrund der Gunst des Volkes, und so sehr hatte er sich eine neue innere Einstellung zugelegt, dass er sich plötzlich als Volksfreund und als Buhler um jegliche Volksgunst entwickelte aus einem trotzigen und wilden Gegner der Plebs.
(8) An jedem 10. Tag (Alle 9 Tage) sprachen die Einzelnen (je einer) dem Volk Recht. An diesem Tag waren in der Gewalt des Rechtsvorstandes 12 Rutenbündel. Je ein Amtsdiener stand den neun Amtsdienern zur Verfügung. Und in der einzigartigen Eintracht unter ihnen selbst, eine Übereinstimmung, die bisweilen den Privatleuten unnütz ist, herrschte höchste Gleichheit gegenüber den anderen.

34(1) Dann gab man sich Mühe, die Gesetze abzufassen. Nachdem unter riesiger Erwartung der Menschen die 10 Tafeln aufgestellt worden waren, riefen sie das Volk zur Volksversammlung ein
(2) und befahlen - was gut, beglückend und glückbringend für den Staat, für sie selbst und ihre Kinder sein möge - hinzugehen und die aufgestellten Gesetze zu lesen: (3) Sie hätten die Rechte für alle, die höchsten und die niedrigsten, gleichgemacht, soweit es von den Begabungen der 10 Männer vorhergesehen werden konnte. Noch mehr Einfluss haben die Begabung und die Ratschläge vieler gehabt.
(4) Sie sollten jede einzelne Sache in ihrem Herzen bei sich persönlich erwägen, dann in Gesprächen erörtern und der Allgemeinheit mitteilen, was in jeder einzelnen Sache zu viel oder zu wenig sei.
(5) Das römische Volk werde diese Gesetze haben, die, wie man den Eindruck haben könne, die Zustimmung aller nicht so sehr als Eingebrachte genehmigt habe, als vielmehr selber eingebracht habe.