PETRONS SATYRICON

Enkolp im Bordell und Ascyltos' Machenschaften in dessen Abwesenheit (6-11)

6. Während ich diesem ziemlich sorgfältig zuhörte, bemerkte ich nicht, dass mir die Flucht des Ascyltos entgangen war… und während ich in dieser Hitze der Worte umherging, kam eine riesige Menge an Studenten in die Säulenhalle, wie es schien, von einer improvisierten Kunstrede irgendeines Redners, der die Empfehlungsrede Agamemnons wieder aufgenommen hatte. Während also die Jünglinge über die Sätze lachen und die Anordnung des ganzen Vortrages verspotten, entfernte ich mich in einem günstigen Moment und begann im Lauf, Ascyltos zu verfolgen. Aber ich hielt weder den rechten Weg noch wusste ich, welche Herberge die seinige war. Deshalb kehrte ich, wohin auch immer ich gegangen war, immer wieder an dieselbe Stelle zurück, bis ich sowohl vom Laufen ermüdet als auch schon schweißnass an ein altes Weiblein herantete, das Kohl vom Land verkaufte.

7. Und ich sprach: "Ich bitte dich, Mütterchen, weißt du etwa, wo ich wohne?" Sie erfreute sich an jener dummen Städtergesinnung und fragte "Warum sollte ich das nicht wissen?", erhob sich und begann, mir vorauszugehen. Ich hielt sie für eine Wahrsagerin und als wir darauf an einen recht abgelegenen Ort kamen, zog die alte Frau ein Flichtwerk zurück und sagte: "hier musst du wohnen". Als ich sagte, ich würde den Ort nicht kennen, sehe ich zwischen einigen Plakaten nackte Dirnen, die heimlich auf- und abspazierten. Langsam, ja sogar bereits zu spät verstand ich, dass ich in ein Bordell weggeführt worden war. Ich verfluchte den Hinterhalt des alten Weibes deshalb, bedeckte mein Haupt und begann, quer durch das Bordell in einen anderen Stadtteil zu fliehen, als mir, siehe da, im Eingang selbst ebenso ermattet und sterbend Asycyltos entgegenläuft. Man hätte glauben können, er wäre von derselben alten Frau weggeführt worden; als ich ihn deshalb lachend grüßte, fragte ich, was er denn an so einem hässlichen Ort zu suchen habe.

8. Der wischte sich den Schweiß mit den Händen ab und sagte: "wenn du wüsstest, was mir passiert ist." "Irgendwas Neues?" fragte ich. Doch jener sagte ziemlich fertig: "Als ich durch die ganze Stadt herumirrte und nicht herausfand, an welchem Ort ich die Herberge verlassen hatte, trat ein anständig aussehender Familienvater an mich heran und versprach in sehr höflichem Ton, Wegesführer zu sein. Nachdem er mich dann durch die dunkelsten Gassen herausgeführt hatte, führte er mich an diesen Ort und begann, nachdem er einen Geldbetrag hervorgeholt hatte, Unzüchtiges zu fragen. Schon hatte eine Dirne ein As für ihr Zimmer eingefordert, schon hatte jener Hand an mich gelegt und wäre ich nicht kräftiger gewesen, wäre ich bestraft worden."

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So sehr schienen mir alle Satyrion getrunken zu haben

 

...mit vereinten Kräften haben wir die Lästigkeiten abgewehrt.
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9. Wie durch einen Dunst sah ich Giton, der am Rand einer Seitenstraße stand und ich floh an denselben Ort…
Als ich fragte, ob uns das Brüderchen etwas zum Essen vorbereitet habe, setzte sich der Junge aufs Bett und wischte sich mit dem Daumen die fließenden Tränen ab. Verstört durch den Zustand meines Brüderchens fragte ich, was geschehen sei. Doch jener sprach erst langsam und widerstrebend, aber nachdem ich den Bitten auch noch Jähzorn hinzugemischt hatte, antwortete er: "dieser dein Bruder oder sei es dein Kamerad eilte kurz vorher ins Zimmer und begann, mich zu vergewaltigen. Als ich laut um Hilfe rief, zog er sein Schwert und sagte: "Wenn du Lucretia bist, hast du Tarquinius gefunden." Auf diese Worte hin, streckte ich vor den Augen des Ascyltos die Hände aus und sagte: "Was sagst du, du weibliche Hure, dessen Atem nicht einmal rein ist?" Ascyltos tat so, als würde er erschrecken und rief, nachdem er die Hände noch höher gehoben hatte, noch bedeutend lauter: Schweigst du nicht gleich, du unzüchtiger Bandit, den sogar die die Sandfläche in der Arena rausgeworfen hat? Schweigst du nicht gleich, du nächtlicher Meuchelmörder, der nicht einmal damals, als du dich noch tapfer hieltest, mit einer reinen Frau ringen konnte? Du, dessen Brüderchen ich im Hinterhof genauso war, wie es jetzt dieser Junge hier in der Herberge ist."

10. "Du hast", sagte ich, "dich dem Vortrag des Lehrers entzogen." "Was hätte ich machen sollen, du Riesenidiot, wo ich doch an Hunger starb? Oder sollte ich die Sätze hören, das heißt gebrochenes Glas und Deutungen von Träumen? Du bist viel schändlicher als ich, beim Herkules, du, der den Dichter nur gelobt hat, um einmal außer Haus zu essen"… Nachdem wir deshalb aus dem äußerst hässlichen Streit in Gelächter ausgebrochen waren, gingen wir beruhigter zu den übrigens Angelegenheiten über.

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Wieder rief ich mir die Unverschämtheit ins Gedächtnis zurück und sagte: "Ascyltos, ich sehe ein, dass wir uns nicht einigen können. Lass uns deshalb unser gemeinsames kleines Gepäck aufteilen und versuchen, unsere Armut durch privaten Erwerb zu vertreiben. Du bist gebildet, ich auch. Um deinen Erwerbungen nicht im Wege zu stehen, werde ich mich etwas anderem zuwenden: ansonsten werden uns täglich 1000 Gründe gegeneinander aufbringen und werden in der ganzen Stadt ins Gerede kommen." Ascyltos weigerte sich nicht und sprach: "Lass uns heute die Nacht nicht verlieren, weil wir ja als fahrende Studenten zum Essen zugesagt haben. Morgen aber, weil dir das beliebt, werde ich mich nach einer neuen Bleibe und irgendeinem anderen Bruder umsehen." "Es ist stumpfsinnig aufzuschieben, was gefällt", sprach ich.

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Die Begierde bewirkte diese so hastige Teilung; denn schon lange wollte ich den lästigen Wächter loswerden, um das alte Verhältnis mit meinem Giton wieder aufzunehmen.

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11. Nachdem ich mit den Augen die ganze Stadt nach ihm durchsucht hatte, ging ich in das Zimmerchen zurück, küsste mit guter Treue, umschlinge endlich den Knaben in innigsten Umarmungen, genieße die glücklichen Freuden, bis man mich um sie hätte beneiden können. Aber es war noch nicht so weit gekommen, als Ascyltos sich heimlich den Türen nähert, und nachdem er mit größter Gewalt die Riegel zerschmettert hatte, fand er mich beim Spiel mit dem Brüderchen vor. Da erfüllte er das Zimmerchen mit Lachen und Beifallklatschen, zog mich zugedeckt vom Freundchen und sprach: "Was hast du da getrieben, scheinheiligster Freund? Was? Machst du etwas Kameradschaft?" Und er beließ es nicht nur bei Worten, sondern löste den Riemen vom Rucksack und begann, mich gründlich zu verhauen. Dabei fügte er ausgelassen hinzu: "So darfst du nicht mit dem Bruder teilen."

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