PETRONS SATYRICON

Das gestohlene Hemd (12-15)

12. Wir kamen, als der Tag schon zu Ende war, auf das Forum, auf dem wir eine Menge an verkäuflichen Waren bemerkten, die zwar nicht wertvoll waren, sondern deren schlecht gehende Echtheit der dunkle Schleier der Zeit sehr leicht verhüllte. Als wir also auch den durch Räuberei gestohlenen Mantel mitgebracht hatten, begannen wir wie bei einer äußerst günstigen Gelegenheit in einer Ecke den äußersten Zipfel freizumachen, wenn der Glanz des Kleidungsstückes zufällig irgendeinen Käufer anlocken könne. Nicht lange dauerte es, als ein Bauer, der meinen Augen bekannt vorkam mit seinem Weiblein als Begleiterin recht schnell herantrat und begann, den Mantel ziemlich sorgfältig zu betrachten. Ascyltos schickte seinerseits seinen Blick über die Schuhlter des bäuerlichen Käufers und schwieg plötzlich entsetzt. Und nicht mal ich selbst betrachtete den Menschen ohne irgendeine Furcht, denn mir schien es jener zu sein, der das Hemdchen abgelegen gefunden hatte. Er war es ganz bestimmt. Aber da Ascyltos die Glaubwürdigkeit seiner Augen fürchtete, trat er so wie vor her ein Käufer recht schnell heran, damit er nichts unüberlegt mache, zog ihm das Hemd von den Schultern und befühlte es recht vorsichtig.

13. Oh welch wunderbares Spiel des Zufalls! Denn der Bauer hatte seine neugierigen Hände immer noch nicht einmal an die Naht gelegt, sondern verkaufte es angeekelt, als ob es ein abgenommenes Kleidungsstück eines Bettlers wäre. Nachdem Ascyltos gesehen hatte, dass das darin Abgelegte unversehrt war und die Person des Käufers niedrigen Standes war, zog er mich ein bisschen zur Seite und sprach: "Weißt du, Bruder, dass der Schatz, über den ich geklagt habe, zu uns zurückgekommen ist? Das ist das Hemdchen, das offensichtlich immer noch voll vom unberührten Gold ist. Was machen wir also oder mit welchem Recht wollen wir unsere Sache beanspruchen?" Aufgeheitert nicht nur, weil ich die Beute sah, sondern auch, weil das Glück von einem äußerst hässlichen Verdacht entlastet hatte, verneinte ich, dass man auf Umwegen handeln dürfe, sondern man völlig mit Bürgerrecht kämpfen müsse, so dass es, wenn er eine andere Sache dem Eigentümer nicht zurückgeben wollte, zu einem Verbot käme.

14. Ascyltos dagegen fürchtete die Gesetze und sagte: "Wer kenn uns denn an diesem Ort oder wer wird uns, wenn wir reden, Glauben schenken? Mir gefällt es viel besser, es zu kaufen, obwohl das, was wir wieder erkauft haben, unser ist, und gegen einen geringen Betrag lieber den Schatz wiedererlangen als sich auf einen zweifelhaften Streitprozess einzulassen:

Was machen die Gesetze, sobald alleine das Geld herrscht
Oder sobald keine Armut siegen kann?
Selbst die, die als Zyniker mit einem Ranzen die Zeit verbringen
Verkaufen manchmal gewöhnlich ihre Worte gegen Geld
Also ist ein Urteil nichts als öffentliche Ware
Und der Ritter (Richter?), der im Prozess sitzt, billigt das Gekaufte."

Aber außer einem Doppelass-Stück, mit dem wir Wolfsbohnen kaufen wollten, gab es nichts zur Verfügung. Um deshalb unterdessen die Beute nicht zu verlieren, beschloss man, den Mantel sogar billig zu verkaufen, damit der Preis des größeren Vorteils den Verlust leichter mache. Als wir also die Ware entfalteten, legte die Frau mit entblößtem Haupt, die zusammen mit dem Bauern gestanden hatte, beide Hände auf den Zipfel und, nachdem sie die Kennzeichen des Mantels recht sorgfältig betrachtet hatte, rief mit lautem Geschrei, die Räuber zu halten. Wir dagegen waren sehr verstört und begannen selbst, damit wir überhaupt etwas zu tun schienen, das zerrissene und dreckige Hemd zu halten und mit denselben Anfeindungen zu rufen, dass das Hemd, das jene besäßen, das unsrige sei. Aber unsere gegenseitigen Forderungsansprüche waren in keiner Weise angemessen und die Höker, die auf unser Geschrei hin zusammenströmten, lachten freilich über unsere Anfeindung, weil sie sahen, dass für jenen Teil ein äußerst wertvolles Kleid, für dieses ein zerrissenes beansprucht wurde, das nicht einmal guten Lumpendecken wert war. Darauf zerschlug Ascyltos das Gelächter, der, nachdem es ruhig geworden war, sprach: "Wir sehen, dass jedem seine Angelegenheit äußerst lieb ist; uns sollen sie unser Hemdchen zurückgeben und sie erhalten ihren Mantel zurück."

15. Auch wenn dem Bauern und seiner Frau das Tauschgeschäft gefiel, forderten dennoch die schon fast düsteren Winkeladvokaten, die den Mantel zum Vorteil machen wollten, dass beides bei ihnen abgelegt werde und am nächsten Tag ein Richter die Klage untersuche. Denn nicht nur die Dinge, die im Konflikt zu sein schienen, sondern bei weitem , weil nämlich auf jeder Seite der Verdacht auf Diebstahl bestünde. Schon beschlossen es die Vermittler und irgendeiner der Höker, kahl, mit lauter Warzen auf der Stirn, der es gewöhnt war auch einmal Prozesse (im Gericht) zu führen, hatte sich den Mantel unter den Nagel gerissen und bekräftigte, ihn am morgigen herauszugeben. Im übrigen hatte er offensichtlich nichts anderes vor, außer dass das Kleid, wenn es einmal abgelegt worden war, unter den Räubern aufgeteilt werden und wir aus der Furcht vor einer Strafanklage nicht zum beschlossenen Gerichtstermin kommen würden…
Genau dasselbe wollten wir auch. Deshalb half der Zufall dem Wunsch beider Seiten. Denn der entrüstete Bauer warf, weil wir forderten, dass der Fetzen vor Gericht hergezeigt werden müsse, das Hemd ins Gesicht des Ascyltos und befahl, dass wir, wenn der Streit einmal beigelegt worden sei, den Mantel abgeben, der alleine noch Gegenstand des Streites war…
Und nachdem der Schatz, wie wir glaubten, wiedererlangt worden war, gingen wir eilends in die Herberge und begannen, nachdem wir die Tür verschlossen hatten, nicht weniger den Scharfsinn der Höker als vielmehr den der Ankläger zu verlachen, weil sie uns das Geld mit ungeheurer Verlegenheit wiedergegeben hatten.
Ich will nicht sofort das halten, was ich begehre,
noch gefällt mir ein Sieg, der mir bereitet wurde.

*