PETRONS SATYRICON
Das große Fressen (33 - 36)
33. Sobald er dann mit einer silbernen Feder in seinen Zähnen herumgestochert hatte, sprach er: " Freunde, mir war es noch nicht angenehm, in den Speisesaal zu kommen, aber um euch nicht länger hinzuhalten, habe ich mir jedes Vergnügen verweigert. Dennoch erlaubt ihr mir, dass das Spiel beendet wird." Es folgte ein Junge mit einer Tafel aus Terebinthenholz, kristallenen Würfeln, und ich bemerkte dabei das Allergeschmackvollste: Denn anstatt weißer und schwarzer Steinchen hatte er goldene und silberne Denare. Während jener unterdessen unterm Spiel die Worte von allen Handwerkern gebrauchte, wurde uns, die immer noch bei der Vorspeise waren, ein Tafelaufsatz mit einem Korb herangetragen, in dem eine hölzerne Henne saß, die ihre Flügel im Kreis um sich herum ausgebreitet hatte, wie es gewöhnlich die tun, die Eier ausbrüten. Sogleich tragen zwei Sklaven herbei und während Musik laut dröhnte, begannen sie, die Spreu zu durchsuchen, gruben Pfaueneier aus und verteilten sie dann an ihre Gäste. Trimalchio drehte sich diesem Schauspiel zu und sagte: "Freunde, ich befahl dass der Henne Pfaueneier untergelegt werden sollten. Und beim Hercules, ich fürchte, dass sie schon befruchtet sind; lasst uns dennoch versuchen, ob sie noch schlürfbar sind." Also erhalten wir Esslöffel, die nicht weniger als ein halbes Pfund wogen und schlagen die Eier, die aus Ölteig gebacken waren. Meins hätte ich beinahe weggeworfen, denn schon schien es mir, als ob sich ein Küken darin gebildet hätte. Sobald ich dann aber einen alten Gast "Hier muss was Gutes drin sein" sagen hörte, fasste ich mit der Hand in die Schale und fand eine äußerst fette Feigendrossel, die von gepfefferten Eidotter umgeben war.
34. Schon hatte Trimalchio
sein Spiel unterbrochen und forderte all dasselbe. Er gab mit lauter Stimme die
Erlaubnis, wenn jemand von uns wieder Honigwein nehmen wollte, als plötzlich
ein Zeichen von der Musik gegeben wurde und die Vorspeisen in gleicher Weise von
einem singenden Reigen weggeschafft wurden. Als übrigens während des
Durcheinanders zufällig eine Schüssel zu Boden gefallen war und der
Sklave sie vom Boden aufgehoben hatte, bemerkte es Trimalchio und befahl den Jungen
mit einer Ohrfeige zu schelten und die Schüssel wieder hinzuwerfen. Es folgte
der Aufseher über das Hausgerät und begann, das Silberschälchen
mit dem übrigen Unrat mit einem Handbesen hinauszukehren. Daraufhin traten
zwei Aethiopier ein mit Locken und kleinen Schläuchen, wie es gewöhnlich
die sind, die im Amphitheater den Sand ausstreuen und gossen Wein auf die Hände;
denn Wasser reichte [uns] niemand. Als man den Herren wegen seines feinen Geschmackes
lobte, sagte er: "Mars liebt das Gerechte. Deshalb habe ich befohlen, dass
jedem sein eigener Tisch zugewiesen werden soll. Nebenbei werden die übelst
riechenden Sklaven und durch ihre häufige Anwesenheit weniger Hitze machen."
Sofort wurden gläserne Amphoren herbeigebracht, die sorgfältig übergipst
waren, an deren Hals Etiketten mit diesem Titel angebracht waren: "Opimianischer
Falernerwein, 100 Jahre alt." Während wir die Titel lasen, klatschte
Trimalchio in die Hände und sprach: "Oh weh, also lebt der Wein länger
als ein Menschlein. Lasst uns deswegen saufen! Wein ist Leben. Ich stelle echten
Falernerwein zur Verfügung. Gestern habe ich keinen so guten gestellt und
es speisten viel anständigere Gäste." Als wir also tranken und
die prachtvollen Schaustücke sehr sorgfältig bewunderten, brachte ein
Sklave ein silbernes Skelett herbei, das so zurechtgemacht war, dass dessen Gelenke
und verrenkte Wirbelknochen in alle Richtungen gebogen werden konnten. Während
er dieses immer wieder über den Tisch geworfen hatte und die Gliederpuppe
sich in einige Stellungen verrenkte, warf Trimalchio ein:
35. Dem
Lob folgte eine Speise, die nicht ganz gemäß unserer Erwartung war;
dennoch zog die Originalität die Augen aller auf sich. Denn der runde Tafelaufsatz
hatte die 12 Sternzeichen, die im Kreis aufgestellt waren, über die der Erbauer
eine Speise gelegt hatte, die ihm eigen war und zum passte: dem Widder eine Widdererbse,
auf dem Stier einen Brocken Rindsfleisch, auf den Zwillingen Hoden und Nieren,
auf dem Krebs ein Kranz, auf dem Lösen eine afrikanische Feige, auf der Jungfrau
eine Gebärmutter einer Sau, die noch nicht geworfen hat, auf der Waage eine
Waage, auf dessen einer Schale eine warme Torte, auf der anderen ein Kuchen lag,
auf dem Skorpion ein Meeresfischlein, auf dem Bogenschützen ein Hase, auf
dem Steinbock eine Meeresheuschrecke, auf dem Wassermann eine Gans und auf den
Fischen zwei Meerbarben. In der Mitte aber hielt ein Stück Rasen eine Honigwabe
mit den Grashalmen. Ein ägyptischer Sklave reichte Brot in einer silbernen
Pfanne herum
und auch er selbst quetschte mit grässlichster Stimme
eine lyrische Stelle aus dem Schaustück "Laserpicarius" heraus.
Als wir uns recht traurig an so billige Speisen heranmachten, sprach Trimalchio:
"Ich rate euch, zu essen; Das ist das Recht der Mahlzeit."
36.
Nach diesen Worten liefen vier Sklaven im Dreierschritt zu Musik hervor und räumten
den oberen Teil des Tafelaufsatzes weg. Nachdem das gemacht worden ist, sehen
wir innerhalb [freilich in einer anderen Speise] Mastgeflügel, Saueuter und
einen mit Federn geschmückten Hasen in der Mitte, damit er wie Pegasus aussah.
Wir bemerkten auch um die Ecken des Tafelaufsatzes herum vier Marysasfiguren,
aus deren Schläuchen gepfefferte Fischsauce über die Fische lief, die
geradezu in einem Teich davon schwammen. Alle applaudierten, nachdem die Hausgemeinschaft
damit angefangen hatte und nahmen lachend die äußerst auserlesenen
Delikatessen in Angriff. Auch Trimalchio war nicht weniger erfreut durch ein derartiges
Kunststück und sprach: "Fass!" Sofort kam ein Vorschneider hervor
und zerfetzte zur Musik bewegend das Hauptgericht dermaßen, dass man hätte
glauben können, ein Streitwagenkämpfer kämpfe zum Spiel des Wasserorgelspielers.
Dennoch rief Trimalchio mit äußerst schleppender Stimme: "Fass,
Fass". Da ich vermutete, dass sich dieses so oft wiederholte Wort auf irgendeinen
Witz bezog, schämte ich mich nicht, den, der über mir lag genau dasselbe
zu fragen. Doch jener, der derartige Spiele schon öfters gesehen hatte, sprach:
"Siehst du den, der das Hauptgericht da fasst? Er heißt Fass. Sooft
er "Fass!" sagt, ruft und befiehlt er mit demselben Wort."