PETRONS SATYRICON

Gespenstergeschichten (61-62)

Nachdem sich also alle gegenseitig geistige und körperliche Gesundheit gewünscht hatten, blickte Trimalchio zu Niceros zurück und meinte: "Gewöhnlich bist du in Gesellschaft angenehmer. Ich weiß nicht, warum du jetzt schweigst und keinen Mucks von dir gibtst. Ich bitte dich, wenn du mich glücklich sehen willst, erzähle doch dieses Abenteuer." Niceros, der durch die Leutseligkeit seines Freundes erfreut wurde, sprach: "Jeder Gewinn soll an mir vorüberziehen, wenn ich nicht schon längst von der Freude absehe, dich so fröhlich zu sehen. Deshalb will ich mal mit meiner wahren Geschichte beginnen, auch wenn ich fürchte, dass diese Gelehrten dort über mich lachen. Sie sollen es sehen: ich werde es trotzdem erzählen; Denn was nimmt mir schon der weg, der über mich lacht? Besser mit mir, als über mich zu lachen." Sobald er diese Worte gesprochen hatte, begann er eine solche Geschichte:
"Als ich immer noch Sklave war, wohnten wir in einer engen Gasse; jetzt ist es das Haus von Gavilla. Dort begann ich, wie die Götter es wollen, die Gattin des Kneipenwirtes Terentius zu lieben. Ihr kennt ja Melissa aus Tarent, ein sehr hübsches Dickerchen. Aber beim Hercules, ich sorgte mich nicht körperlich um sie nicht wegen (irgendwelchen) Schweinkrams, sondern mehr weil sie gutherzig war. Wenn ich aber was von ihr wollte, wurde mir nie was verweigert... sie tat's. Ich hatte ein halbes As: Ich hab es in ihren Bausch übergeben und wurde nie beschissen. Da ihr Hausgenosse bei der Villa nun seinen Löffel abgab, versuchte ich mit allen Mitteln einen Weg zu finden, wie ich an sie rankam: ihr wisst aber, die wahren Freunde zeigen sich erst in schwierigen Zeiten.

Zufällig war mein Herr nach Capua gegangen, um seinen geschmackvollen Krempel den Leuten anzudrehen. Ich ergriff die Gelegenheit beim Schopf und überrede unserer Gast, mit mir zum fünften Meilenstein zu gehen. Der war ein Soldat, tapfer wie Orcus. Wir verdrücken uns so gegen Morgengrauen, der Mond schien wie am helllichten Tag. Wir kamen zu den Gräbern: Mein Freund beginnt, aber ich gehe singend weiter und zähle die Grabsäulen. Wie ich dann wieder zu meinem Gefährten zurückblicke, zog der sich aus und legte all seine Kleider neben der Straße ab. Mir rutscht das Herz in die Hose, ich stand da wie tot. Doch er pisste um seine Kleider herum und wurde so plötzlich zum Werwolf. Glaubt ja nicht, dass ich Witze mache. Ich erbe von niemandem, egal wie bedeutend er war, um jetzt zu lügen. Aber, was ich begonnen hatte zu sagen: nachdem er zum Wolf geworden war, begann er laut aufzuheulen und flüchtete sich dann in die Wälder. Ich wusste anfangs gar nicht, wo ich war, dann kam ich näher heran, um seine Kleider aufzuheben: die waren aber zu Stein geworden. Wer stirbt in so einer Situation vor Furcht, wenn nicht ich? Dennoch zog ich mein Schwert und schlug auf Schatten der Nacht (also: ins Dunkel) wie ein Verrückter, solange bis ich zum Haus meiner Freundin gelangte. Wie ein Gespenst trat ich ein, abgekratzt wäre ich fast, der Schweiß lief mir den Rücken runter, die Augen waren tot und ich konnte mich kaum erholen. Meine Melissa begann sich zu wundern, was ich denn so spät hier reinspazierte und sprach: "Wärest du früher gekommen, hättest du uns wenigstens noch helfen können. Denn ein Wolf hat unser Landgut betreten und alles Vieh abschlachtet. Wie ein Metzger hat er ihnen das Blut abgelassen. Dennoch ist ihm das Lachen vergangen, auch wenn er fliehen konnte. Denn unser Sklave hat ihm den Hals mit einer Lanze durchbohrt." Sobald ich das gehört hatte, konnte ich keni Auge mehr zumachen, sondern rannte bei Tageslich zum Haus unseres Herren so wie ein Schankwirt, den man ausgeplündert hat, und als ich jenen Ort erreicht hatte, an dem die Kleider zu Stein geworden waren, fand ich dort nichts außer Blut. Als ich aber nach Hause kam, lag mein Soldat auf dem Bett wie ein Ochse, und ein Arzt versorgte am Hals eine Wunde. Da verstand ich, dass er der Werwolf gewesen war, und ich konnte danach mit ihm nicht mehr an einem Tisch sitzen, nicht mal, wenn du mir mit dem Tod gedroht hättest. Die andern sollen schauen, was sie davon halten. Wenn ich lüge, so soll ich eure Schutzgeister als Erzürnte gegen mich haben."

30.10.2013