PETRONS SATYRICON

Die Freigelassenengespräche (42-46)

42. Da gab Seleucus seinen Senf dazu und sprach: „Ich wasche mich nicht täglich; denn ein Bad ist ein Tuchwalker, das Wasser hat Zähne und unser Herz wird täglich schwächer. Aber wenn ich den Topf mit Honigwein reinpfeife, scheiß ich auf die Kälte. Und freilich konnte ich nicht baden; denn ich war heute auf einer Beerdigung. Ein schöner Mensch, der so gute Chrysanthus ist abgekratzt. Eben, eben hat er mich gerufen. Ich scheine mit ihm zu reden. Ach, ach. Wir spazieren wie aufgeblasene Schläuche herum. Wir sind weniger wert als Mäuse, dennoch haben <die Mäuse> irgendeine Tugend, wir sind nicht mehr wert als Wasserblasen. Und was, wenn er nur nicht enthaltsam gewesen wäre! 5 Tage lang hat er kein Wasser getrunken, keinen Brocken Brot. Dennoch ging er weg zu der großen Armee. Die Ärzte haben ihn verdorben, ja vielmehr das schlimme Schicksal; denn der Arzt ist nichts anderes als Trost für die Seele. Dennoch ist er gut beerdigt worden, mit seiner Totenbahre und guten Teppichen. Beweint wurde er bestens – einige hat er freigelassen, auch wenn ihn seine Frau unaufrichtigt beweinte. Was, wenn er sie nicht bestens aufgenommen hätte? Aber eine Frau, die eine (wahre) Frau ist, gehört nun mal zu dem Aasgeier-Geschlecht. Man darf niemandem nichts Gutes tun; denn es ist das Gleiche, wie wenn du es in den Brunnen wirfst. Aber alte Liebe ist ein Krebs.“

43. Er wurde lästig, und Phileros rief laut: „Lasst uns an die Lebendigen erinnern. Jener hat, was man ihm schuldete: er lebte anständig, er ist anständig gestorben. Was hat er für einen Grund, sich zu beklagen? Er ist vom Ass aus gewachsen und war bereit, mit den Zähnen ein Viertelass aus Scheiße zu holen. Deshalb hat er zugenommen, was auch immer er berührt hat, wie eine Honigwabe. Beim Hercules, ich glaube, dass jener ganze 100 hinterlassen hat und alles in bar hatte. Aber ich möchte über diese Angelegenheit dennoch die Wahrheit sprechen, ich, der ich Hundszunge gegessen habe: er hatte ein freches Mundwerk, geschwätzig war, zwieträchtig, kein Mensch. Sein Bruder war tapfer, dem Freund ein Freund, mit voller Hand und reichem Tisch. Zu Beginn hatte er zwar Pech, aber die erste Weinlese hat ihm wieder auf die Beine geholfen: denn er verkaufte Wein so teuer wie er selbst es wollte. Und was dessen Kinn auch noch nach oben hielt: er machte eine Erbschaft, aus der er mehr stahl als jenem zurückgelassen wurde. Jenes Geld vermacht er irgendeinem Sohn eines Landes als Erbschaft, während er auf seinen eigenen Sohn zornig war. Weit weg läuft jeder, der vor den Seinen flieht. Aber er hatte Ratgeber als Sklaven, die jenen zugrunde richteten. Aber wer schnell glaubt, wird es niemals richtig machen; besonders als Geschäftsmann. Dennoch hat er aber dies genossen, solange er gelebt hat. Wem es gegeben ist, dem ist es nicht bestimmt. Ganz und gar ein Sohn Fortunas, in dessen Hand wurde Blei zu Gold. Leicht ist es aber, sobald alles gut läuft. Und wie viele Jahre glaubst du, hatte er auf dem Buckel? Mehr als 70. Aber er war hart, trug sein Alter gut und war schwarz wie ein Rabe. Ich kannte einen Menschen von anno dazumal, der war immer noch geil. Beim Hercules, ich glaube, dass der nicht einmal den Hund zuhause in Ruhe gelassen hat.. Ja sogar war er auch noch ein Knabenverführer: Er war ein Mensch jeder Kunst. Ich mach ihm keinen Vorwurf, denn nur das hat er mit sich genommen.“

44. Das sagte Phileros, und Ganymed schloss damit an: „Ihr erzählt, was sich weder auf den Himmel noch die Erde bezieht, zu einer Zeit wo sich niemand darum sorge, was der Getreidepreis alles abbeißt (bzw. in die Höhe treibt). Beim Hercules, ich konnte heute keinen Brocken Brot finden. Und wie die Dürre anhält! Schon ein Jahr dauert das Hungern. Den Ädilen soll es schlecht ergeben, die mit den Bäckern unter einer Decke stecken: „Rette mich, dann wird ich dich retten.“ Deshalb leidet das kleine Volk; denn diese Bonzen führen immer ihre Saturnalien. Oh wenn wir doch jene Löwen hätten, die ich hier gefunden habe, als ich aus Asien kam. Das war Leben! [...] Aber ich erinnere mich an Safinius: damals wohnte er beim alten Bogen, als ich noch ein Kind war. Der war Pfeffer, kein Mensch. Wohin auch immer er ging, brannte er die Erde an. Aber er war aufrichtig, treu, dem Freund ein Freund, mit dem du in der Dunkelheit Pferde stehlen könntest. Aber wie er in der Kurie einzelne ausplünderte, aber er sprach keine festen Schemen, sondern direkt. Wenn er auf dem Forum verhandelte, so schwoll seine Stimme wie eine Tuba an. Und weder schwitzte er jemals, noch spuckte er aus, ich glaube, dass er von den Göttern irgendeine Trockenheit hatte. Und wie wohlwollend er zurück grüßte, grüßte alle mit Namen, so wie einer von uns. Deshalb war zu jener Zeit der Getreidepreis spottbillig. Ein Brot, das du um ein Ass gekauft hättest, hättest du mit einem Zweiten nicht auffuttern können. Jetzt hab ich ein recht großes Ochsenauge gesehen. Ach, ach, täglich geht es schlimmer. Diese Stadt wächst in die entgegengesetzte Richtung, so wie der Schwanz eines Kalbes. Aber warum haben wir einen nichtsnutzigen Ädil, der für sich lieber ein Ass als unser Leben will? Deshalb freut er sich zuhause, bekommt am Tag mehr Münzen als ein anderer als Erbschaft hat. Ich weiß schon, woher 1000 goldene Denare bekommen hat. Aber wenn wir den Mumm hätten, würde er ihm nicht so viel gefallen. Aber das Volk jetzt, Löwen zuhause, draußen Wölfe. Was mich betrifft, habe ich meine Lumpen schon aufgegessen und wenn diese Dürre anhält, werde ich meine kleine Hütte verkaufen.
Denn was wird sein, wenn sich weder die Götter noch die Menschen dieser Stadt erbarmen? So wahr ich an den Meinen Freude erleben möchte, glaube ich, dass all das von den Göttern gemacht wurde. Denn niemand hält den Himmel für einen Himmel, niemand hält sich ans Fasten, niemand kümmert sich einen Deut um Jupiter, sondern alle rechnen mit geschlossenen Augen ihr Hab und Gut. Davor gingen die feinen Stolaträgerinnen barfuß einen Hang hinauf, mit gelöstem Haar, reinen Gedanken und baten Jupiter um Wasser. Deshalb regnete es wie aus Eimern: entweder damals oder niemals: und alle kehrten zurück, nass wie die Mäuse. Deshalb kommen die Götter auf leisen Sohlen, weil wir nicht gottesfürchtig sind. Die Äcker liegen brach…“

45. „Ich bitte dich“, sprach Echion, der Kleiderhändler, „sprich mal besser!“ „Bald so, bald so“, sprach der Bauer; er hatte sein geflecktes Schwein verloren. Was heute nicht ist, wird morgen sein: so geht das Leben weiter. Beim Hercules, man könnte keine Heimat sagen, die besser ist, wenn sie Menschen hätte. Aber sie leidet an dieser Zeit und nicht nur das. Wir dürfen nicht anspruchsvoll sein, überall ist der Himmel in der Mitte. Wenn du irgendwo anders wohnst, wirst du sagen, dass hier die Schweine gebraten herumspazieren. Und siehe, wir werden drei Tage lang ausgezeichnete Spiele am Festtag abhalten. Eine Gemeinschaft, die nicht zu einem Fechtmeister gehört, sondern von der die meisten Freigelassenen sind. Unser Titus hat ein großes Herz und ist hitzköpfig: entweder das oder jenes, es wird was Besonderes sein. Denn ich bin mit ihm ganz freundschaftlich, er macht keine halben Sachen. Das beste Eisen wird er geben, ohne Pardon, in der Mitte ein Blutbad, dass es das Amphitheater sehen kann. Er kann sich’s ja leisten: ihm hat man 30 Millionen Seterzen hinterlassen, als sein Vater verstorben war. Schlimm! Dass er 400.000 davon bezahlt (für Spiele), wird seine Erbschaft gar nicht merken und er wird auf immer genannt werden. Er hat schon einige Fechter und eine Frau als Streitkämpferin, den Schatzmeister von Glycon, der ertappt wurde, als er seine Herrin erfreute. Du wirst den Streit im Volk zwischen den eifersüchtigen Ehemännern und den Geliebten. Glyco aber, kaum einen Pfifferling wert, warf den Schatzmeister den Tieren vor. Das nenne ich sich selbst bloßstellen. Was hat der Sklave für einen Fehler gemacht, der gezwungen wurde, es zu tun? Vielmehr hätte es dieser Idiot verdient gehabt, von einem Bullen auf die Hörner genommen zu werden. Aber wer den Esel nicht schlagen kann, schlägt den Sattel. Aber was glaubte Glyco, dass die nichtsnutzige Tochter von Hermogenies jemals ein gutes Ende nehmen werde? Jener konnte einem fliegenden Habicht die Nägel schneiden. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Glyco, Glyco gab schon seine Dinge; solange er deshalb lebt, wird er gebrandmarkt sein, und nur Orcus wird seine Brandmale auslöschen. Aber jeder macht für sich Fehler. Aber ich ahne, dass Mammea uns ein Mahl geben wird, und mir und den Meinen zwei Denare. Wenn er aber das macht, wird er Norbanus den ganzen Wohlwollen rauben. Du musst wissen, dass er diesen mit vollen Flügeln besiegen wird. Und wirklich: was hat jener Gutes für uns getan? Er gab uns Gladiatoren, die keinen Pfifferling wert und schon altersschwach waren, die umgefallen wären, wenn du sie angeblasen hättest; ich habe schon bessere Tierkämpfe gesehen. Er machte Reiter nieder, man hätte glauben können, sie sind Haushähne; der eine war ein lahmer Esel, der andere hat gehinkt, der dritte, der für den Toten einsprang, war selbst tot, als hätte man seine Muskeln durchgeschnitten. Ein einziger, der einiges Format hatte, war Thorax, der auch selbst kämpfte . Kurz: alle wurden später ausgepeitscht; so sehr hatten sie von der großen Menge „Haut zu!“ zu hören bekommen, die waren ganz und gar nichts anderes als Feiglinge. „Dennoch“, sagte er, „hab ich dir ein Schauspiel gegeben.“: und ich klatschte dir Beifall. Zähl es zusammen und ich hab dir mehr gegeben als ich empfangen habe. Eine Hand wäscht die andere."

46. Du, Agamemnon, scheinst mir zu sagen: "Was redet der denn so lästig daher?" Weil du, der wo sprechen kann, nicht den Mund aufmachen tut. Du bist nicht von unserem Schlag und machst dich deshalb über die Worte der Armen lustig. Wir wissen, dass du vor lauter Bildung ganz deppert bist. Also was jetzt? Eines Tages werde ich dich überreden, zu meinem Landhaus zu kommen und mein Häuschen zu sehen. Wir werden etwas zum Essen finden. Hühnchen, Eier. Schön wird's sein, auch wenn ein Unwetter in diesem Jahr alles verdorben hat. Also wir werden was finden, wovon wir satt werden. Schon wächst dir mein Kleiner zum Schüler heran. Schon kann er durch vier teilen; (und) wenn er weiterlebt, wirst du einen kleinen Sklaven an deiner Seite haben. Denn wann immer er frei hat, wendet er den Kopf nicht von der Tafel ab. Er ist begabt und von gutem Charakter, auch wenn er auf Vögel ganz versessen ist. Schon hab ich ihm drei Distelfinken abgemurkst und gesagt, dass ein Wiesel sie gefressen hat. Dennoch hat er andere Albernheiten gefunden und malt sehr gerne. Im Übrigen hat er schon den Griechlein einen Tritt versetzt und begonnen, sich das Lateinische nicht schlecht zu erwerben, auch wenn sein Lehrer selbstgefällig wird und nicht an einem Ort still steht. Freilich kennt er die Wissenschaften, aber er will nicht arbeiten. Es gäbe noch einen anderen, der allerdingt nicht so gelehrig, aber neugierig ist, der mehr lehrt als er weiß. Deshalb kommt er gewöhnlich an Feiertagen nach Hause, und was auch immer du ihm gegeben hast, er ist zufrieden damit. Also hab ich jetzt dem Buben einige Geschichtsbücher gekauft, weil ich will, dass er etwas Recht für den Hausgebrauch schmeckt. Damit verdient man sein täglich Brot. Denn von der Literatur wurde er genug verdorben. Wenn er davon aber Abstand nimmt, habe ich bestimmt, ihn eine Kunstfertigkeit zu lehren: Entweder Babier oder Herold oder bestimmt Rechtsanwalt, was ihm nur noch der Orkus wegnehmen könnte. Deshalb sag ich ihm täglich: "Primigenus, glaub mir, was auch immer du lernst, lernst du für dich. Schau dir den Anwalt Phileros an: wenn der nicht gelernt hätte, würde er heute den Hunger nicht von den Lippen vertreibn. Eben, eben noch umgaben seinen Hals verkäufliche Güter, jetzt tritt er sogar gegen Norbanus an. Blidung ist ein Schatz, und ein Handwerk stirbt nie aus."

9./14./4.2013