PLINIUS' BRIEFE

Epistula II, XVII

(1)Du wunderst dich, warum mich Laurentinum oder (wenn du es so lieber willst), mein Laurens mich so sehr freut.; du wirst aufhören dich zu wundern, wenn du den Anreiz der Villa, der günstigen Lage und der Promenade zum Strand kennst.

(2)Siebzehn Meilen ist sie von der Stadt entfernt, so dass man, nachdem das, was zu tun war, erreicht und der Tag lebendig überstanden worden ist dort übernachten kann. Es führt nicht nur ein Weg dorthin; denn sowohl Laurentina als auch Ostiensis führen hierhin, die Laurentia muss man aber am 14ten, die Ostiensis am elften Wegstein verlassen. Von beiden aus beginnt ein Weg streckenweise sandig, für ein Pferdegespann ein wenig schwerer und langwieriger, für ein Pferd kurz und leicht.

(3)Die Aussicht ändert sich mal hier und dort; bald wird der Weg durch auftauchende Wälder enger, bald weitet er sich auf sehr breite Wiesen aus und dehnt sich aus; viele Schafherden, viele Pferde- und Rinderherden dort, die vom Winter von den Bergen vertrieben auf den Wiesen und in der Frühlingsluft fett werden. Die Villa ist geräumig für ihren Zweck, der Unterhalt nicht aufwandreich.

(4)In ihrem ersten Teil gibt es ein Atrium, einfach aber nicht ärmlich. Dann gibt es eine Säulenhalle, herumgeführt in der der Form des Buchstabens "D", durch die ein sehr kleiner gemütlicher Hof eingeschlossen wird. Eine ausgezeichnete Zuflucht gegen Unwetter; denn er ist durch Fensterscheiben und viel mehr durch ein überstehendes Dach geschützt.

(5)Zur Mitte hin gibt es einen freundlichen Vorraum, dann einen wirklich schönen Speiseraum, der bis ans Ufer ausläuft und, wenn das Meer vom Africus aufgewühlt ist, von den schon gebrochenen und völlig neuen Wellen leicht bespült wird. Überall hat er Flügeltüren oder Fenster nicht kleiner als Flügeltüren und bietet so Ausblick von den Seiten und von vorne sozusagen auf drei Meere; von hinten blickt man auf den Vorplatz, die Säulenhalle, den Hof, dann wieder auf die Säulenhalle, bald sieht man das Atrium, die Wälder und die fernen Berge.

(6)Zur Linken, ein wenig entlegen, ist ein weites Schlafzimmer, dann ein anderes kleineres, das mit einem anderen Fenster den Blick nach Osten gestattet, ein anderes hält das Abendlicht fern; von diesen betrachtet man auch das darunterliegende Meer, zwar aus ziemlich weitem, aber ziemlich sicheren Abstand.

(7)Ein Winkel wird durch Hervortreten dieses Schlafzimmers und jenes Speisezimmer eingeschlossen, der die reinste Sonnenwärme festhält und steigert. Dies ist das Winterplätzchen, die ist auch der Turnplatz meiner Leute; dort schweigen alle Winde außer denen, die Wolken bringen und das heitere wegschaffen noch ehe man sich dorthin begibt.

(8)An den Winkel geknüpft folgt ein Schlafzimmer, das in Wölbungen gerundet ist und mit allen Fenstern dem Lauf der Sonne folgt. In seine Wand ist eine Art Bücherschrank eingelassen, der keine Bücher zum einfachen Lesen, sondern zum eifrigen Lesen enthält.

(9)Es schließt das Schlafzimmer an mit einem Durchgang dazwischen, der mit Heizröhren unterfangen die eingefangene Wärme wohltemperiert von hier nach dort verteilt und leitet. Der restliche Teil der Seite ist für die Benutzung der Sklaven und Freigelassenen vorbehalten, die meisten so sauber, dass sie Gäste aufnehmen können.

(10)Auf der anderen Seite gibt es ein sehr geschmackvolles Schlafzimmer; dann entweder ein großes Schlafzimmer oder ein mittelgroßes Speisezimmer, das vom Meer und der Sonne ganz und gar leuchtet; nach diesem kommt ein Schlafzimmer mit Vorzimme, durch seine Höhe im Sommer, durch den Schutz im Winter angenehm; es ist nämlich allen Winden unzugänglich. Mit diesem Schlafzimmer wird ein anderes und ein Vorzimmer verbunden durch eine gemeinsame Wand.

(11)Dann das geräumige und breite Gewölbe des Kaltwasserbades, an dessen gegenüberliegenden Wänden zwei Bassins sich sozusagen herausbuchten, mehr Fassungsvermögen als genug, wenn du bedenkst, dass das Meer gleich in der Nähe ist. Es schließt sich der Salbraum an, die große Heizung, dann der Heizraum des Bades, bald zwei Zimmer eher elegant als protzig; damit zusammen hängt ein erstaunliches warmes Schwimmbassin, von dem aus die Badenden auf das Meer sehen können, nicht weit davon der Ballspielhalle, die im Spätsommer erst gegen Abend von der Sonne beschienen wird.

(12)Hier erhebt sich ein Turm, unter dem zwei Zimmer, ebenso viele darin selbst, außerdem ein Speisesaal, der das weiteste Meer, den längsten Strand und die reizendsten Landhäuser besitzt.

(13)Es gibt auch einen anderen Turm; darin ein Wohnzimmer, in dem die Sonne auf- und untergeht; dahinter gibt es ein Warenlager und einen Speicher, unter dem es ein Speisezimmer gibt; das bei Sturm nur das Getöse und Brausen des Meeres hereinlässt und das auch nur matt und gedämpft; einen Garten und eine Promenade sieht man, durch den der Garten eingeschlossen wird.

(14)Die Promenade wird von einem Buchsbaum oder Rosmarin gesäumt, wo der Buchsbaum fehlt; denn Buchsbaum grünt im Übermaß, wo er von Dächern geschützt wird; unter freiem Himmel, Wind oder der von entfernt kommenden Gischt des Meeres verdorrt er.

(15)Der Promenade liegt im inneren Umkreis ein zarter und schattiger Weinberg an und auch für bloße Füße weich und nachgebend. Den Garten bekleiden Maulbeerbaum und Feige ganz dicht. Für diese Bäume ist jene Erde besonders fruchtbar, für die übrigens ungünstiger. Dieses Speisezimmer, das nicht vom Meer abgewandt ist, genießt eine nicht schlechtere Sicht aufs Meer, von hinten wird es von zwei Zimmern umgeben, unter deren Fenstern die Eingangshalle der Villa und der andere prächtige und bäuerliche Garten liegt.

(16)Von hier weitet sich die Wandelhalle beinahe vom Umfang eines öffentlichen Werkes. Auf beiden Seiten Fenster, vom Meer mehrere, vom Garten einzelne, immer gegenüber eines weniger. Diese stehen, wenn der Tag heiter und beständig ist alle ohne Gefahr offen, wenn er von Winden, die von hier und dort kommen, unbeständig ist, ist aber nur dort, wo die Winde ruhen, offen.

(17)Vor der Wandelhalle ist eine Terrasse überströmt vom Duft von Feilchen. Die Wandelhalle fördert die laue Wärme der eingeströmten Sonne durch Widerstrahlen; wie sie die Sonne festhält, so hält sie den Nordwind zurück und wehrt ihn ab; und wieviel Wärme vorne, soviel Kälte hinten; ähnlich stellt sie sich dem Africus entgegen und bricht so die Winde aus den verschiedensten Richtungen jeden auf einer anderen Seite und beendet sie. Diese Annehmlichkeit von ihm im Winter, eine noch größere im Sommer.

(18)Denn vor dem Mittag kühlt er die Terrasse, am Nachmittag den nächsten Teil des Spazierweges und des Gartens mit seinem Schatten, der, je nachdem wie der Tag aufsteigt oder fällt, sinkt bald kürzer, bald länger auf diesen oder jenen Platz.

(19)Die gedeckte Halle selbst aber entbehrt besonders dann der Sonne, wenn sie am heißesten auf das Dach brennt. Dazu nimmt sie bei offenem Fenster die Westwinde und schickt sie durch (auf gut Deutsch: es wird gelüftet) und wird niemals durch träge und stehende Luft dumpf.

(20)Am Kopf der Terrasse, dann die Säulenhalle des Gartens, steht ein Gartenhaus, meine Liebe, wirklich meine Liebe: ich habe sie selbst aufgestellt. Darin blickt das sonnseitige Gemach mit der einen Seite zwar auf die Terrasse auf der anderen Seite auf das Meer, auf beiden Seiten auf die Sonne, ein Gemach aber blickt durch eine Flügeltür auf die Halle, durch ein Fenster auf das Meer.

(21)Der mittleren Wand gegenüber springt überaus elegant ein Kabinett hervor, das mit Fensterscheiben und Tüchern vor- oder weggezogen bald dem Gemach hinzugefügt, bald entrückt wird. Es beinhaltet ein Bett und zwei Kathedren; zu Füßen das Meer, von hinten die Gebäude, von vorne die Wälder: so viele Facetten der Umgebung trennt es durch ebenso viele Fenster und mischt sie.

(22)Ein Gemach für die nacht und den Schlaf ist angeschlossen. Keine Stimmen von Sklaven, kein Meeresgetöse, keine umherziehenden Unwetter, kein Blitzlich und nicht einmal den Tag bemerkt man außer bei offenem Fenster. Jene Ursache für eine so hohe und verborgene Abgeschiedenheit ist, dass ein dazwischenliegender Gang die Wand des Wohnzimmers und des Gartens trennt und so den ganzen Lärm durch bloßen Abstand verschluckt.

(23)Zum Schlafraum gehört eine sehr kleine Fußbodenheizung, die durch ein kleines Fenster, die die Wärme unten, so wie es das Gemüt fordert, entweder ausströmen lässt oder zurückhält. Darauf stehen ein Wohnraum und ein Wohnzimmer zur Sonne gerichtet, die, wenn sie aufgeht, sofort aufgefangen wird, wenn sie am Nachmittag zwar schief steht, aber sie dennoch festhält.

(24)Wenn ich mich in dieses Gartenhaus zurückgezogen habe, scheine ich sogar von meiner Villa fern zu sein und ich greife besonders während der Saturnalien zu seiner großen Freude, wenn der übrige Teil des Hauses von der Ausgelassenheit der Tage und vom Festgeschrei dröhnt; denn weder ich werde von deren Späße unterbrochen noch werden sie es durch meine Studien.

(25)Dieser Behaglichkeit, dieser Anmut fehlt nur noch ein Springbrunnen, aber Brunnen oder besser Quellen hat die Umgebung; auf einem Hügel gibt es nämlich welche. Und überhaupt ist die Natur jenes Strandes sonderbar: an welchem Platz man auch immer die Erde umgräbt, kommt die Feuchtigkeit bereitwillig entgegen, und sie ist rein und nicht einmal durch eine so große Nähe zum Meer salzig.

(26)Zu Genüge liefern die nahen Wälder Holz; die restlichen Mengen bietet die Siedlung Ostia. Einem ordentlichen Menschen reicht auch das Dort, das eine Villa entfernt liegt. Dort gibt es drei öffentliche Bäder, eine große Bequemlichkeit, wenn zufällig eine plötzliche Ankunft oder ein kürzerer Aufenthalt davon abraten, das Bad zuhause zu erwärmen.

(27)Mit sehr angenehmer Vielfalt schmücken nun ununterbrochene, jetzt unterbrochene Gebäude von Villen den Strand, die ein Aussehen vieler Städte zeigen, sei es dass man es vom Meer oder vim Strand aus betrachtet. Manchmal mildert eine lange Windstille, öfters macht eine häufige und unruhige Flut es unfreundlich.

(28)Das Meer hat nicht gerade im Überfluss wertvolle Fische, dennoch hat sie Schollen und beste Krabben. Meine Villa liefert aber auch heimische Nahrungsmittel, besonders Milch; denn dort kommt aus dem Weideland Vieh zusammen, wenn es nach Wasser oder Schatten strebt.

(29)Scheine ich dir nicht auch aus guten Gründen diesen Zufluchtsort besiedle, bewohne und liebe? Wenn du nicht verlockt bist, bist du nur allzusehr ein Stadtmensch. Wärest du doch verlockt, damit zu so vielen und großen Köstlichkeiten meines ländlichen Gütleins durch deinen Aufenthalt hier die größte Empfehlung hinzukommt. Leb wohl.

Messy am 8. 5. 2001