PLINIUS' BRIEFE
Epistula VII, XXVII
(1) Mir bietet die Ruhe eine
Gelegenheit zum Lernen und dir zu lehren. Ich will also sehr gerne wissen, ob
du an Gespenster glaubst, ob sie eine eigentümliche Form und irgendeine Macht
haben oder ob sie leer und inhaltslos sind und ihre Gestalt aus unserer Furcht
beziehen.
(2) Dass ich an sie glaube, dadurch werde ich durch das geführt, was nach dem Hörensagen Curtius Rufus zugestoßen ist. Als er noch jung und unbekannt war, gehörte er zum Gefolge des Statthalters von Afrika. Am Ende des Tages ging er in der Säulenhalle spazieren; ihm erscheint die menschliche Gestalt einer Frau, nur größer und schöner. Dem Erschrockenen sagte sie, dass sie Afrika, die Vorbotin der Zukunft sei: denn er werde wiederum nach Rom gehen und Ehren erlangen und auch mit höchster Befehlsgewalt in dieselbe Provinz zurückkehren und dort sterben.
(3) Alles ist so eingetreten. Außerdem erzählt man, dass ihm, als er sich Carthago näherte und vom Schiff stieg, sich dieselbe Gestalt am Strand begegnet sei. Und nachdem ihn selbst wirklich eine Krankheit befiehl, prophezeite er aus dem Vergangenen die Zukunft und aus dem Glück das Unglück und gab die Hoffnung auf Rettung auf, als noch keiner der seinen verzweifelte.
(4) Ist etwa dies nicht noch schrecklicher und weniger wundersam, was ich erzählen werde, wie ich es empfangen habe?
(5) In Athen gab es ein großes, geräumiges Haus, aber es war berüchtigt und ungesund. Durch die Stille der Nacht war der Klang von Eisen, und wenn man genauer hinhörte, das Geräusch von Ketten zu hören, zuerst in einiger Entfernung, dann aus nächster Nähe: Bald erschien ein Gespenst, ein alter Mann, entstellt von Schmutz und Auszehrung, mit einem langen Bart und starrendem Haar; Fußfessel an den Schienbeinen, hielt er Ketten in den Händen und rasselte mit ihnen.
(6) Dann durchwachten die Einwohner schreckliche und traurige Nächte in Furcht; dem ständigen Wachen folgte Krankheit und, wenn der Schrecken zunahm, der Tod. Denn auch am Tag schwebte die Erinnerung an die Erscheinung vor Augen, obwohl sie verschwunden war, und die Furcht dauerte länger als ihre Ursachen. Daher war das Haus verlassen und in Einsamkeit verurteilt und jenem Ungeheuer ganz übrig gelassen; dennoch wurde es öffentlich angeboten, sei es dass es jemand kaufen, sei es dass es jemand mieten wolle, ohne von einem so großen Übel zu wissen.
(7) Nach Athen kam der Philosoph Athenodorus, er liest die Anzeige und nachdem er nach dem Vernehmen der Wertes geforscht hat, weil der niedrige Preis verdächtig war, wird er von allem unterrichtet und mietet es um nichts desto weniger, ja sogar umso lieber. Sobald es zu dämmern begann, lässt er sich ein Lager herrichten im vorderen Teil des Hauses, fordert Schreibtäfelchen, Griffel und Licht und schickt alle Seinigen in den inneren Teil des Hauses; er selbst richtet den Geist, die Augen und die Hand auf das Schreiben, damit der unbeschäftigte Geist keine gehörten Trugbilder und sich sinnlose Angst erdichtet.
(8) Am Anfang, wie überall die Stille der Nacht; dann wird Eisen aneinandergeschlagen, Ketten werden bewegt. Jener hebt nicht die Augen, lässt den Griffel nicht los, sondern fasst sich ein Herz und spitzt die Ohren. Dann nimmt das Geräusch zu, es kommt näher und ist schon wie innerhalb der Schwelle, jetzt wie innerhalb des Zimmers zu hören. Er blickt zurück, sieht und erkennt die ihm erzählte Gestalt.
(9) Sie stand da und winkte mit dem Finger ähnlich einem, der einen ruft. Dieser dagegen zeigt ihr mit der Hand an, sie solle ein wenig warten und wendet sich wieder den Wachstafeln und dem Griffel zu. Sie rasselte ganz nah am Kopf des Schreibenden mit den Ketten. Er sieht zurück und sieht dieselbe wieder, die wie vorher, winken. Er zögert nicht, nimmt das Licht und folgt.
(10) Jene ging mit langsamen Schritt, wie von Ketten beschwert. Nachdem sie in den Haushof abgebogen ist, verschwindet sie plötzlich und lässt den Begleiter zurück. Der Verlassene reißt Gras und Blätter ab und legt sie als Zeichen auf den Platz.
(11) Am nächsten Tag ging er aufs Amt und bittet darum, diesen Platz ausgraben zu lassen. Man findet Gebeine, die von Ketten umschlungen und durchzogen sind und den Körper, der vom Alter und der Erde mürbe gemacht worden war, nackt und zerfressen den Ketten übriggelassen hatte; die gesammelten Knochen werden öffentlich begraben. Danach war das Haus frei von den nach dem Ritus geborgenen Manen.
(12) Und dies glaube ich freilich denen, die es bestärken; ich kann dies anderen bekräftigen. Ich habe einen nicht ungebildeten Freigelassenen. Mit ihm schlief der jüngere Bruder im selben Bett. Diesem schien es, als würde er jemanden sehen, der sich auf das Bett setzt, und Messer auf seinen Kopf zubewegt und auch Haare von seinem Scheitel selbst abschneidet. Sobald es hell geworden war, fand man ihn selbst um den Scheiter herum geschoren vor, und die Haare auf dem Boden liegend.
(13) Kurze Zeit später bekräftigte wieder ein anderer Vorfall, dem vorigen ähnlich, dies. Ein Junge schlief zusammen mit mehreren im Pagenzimmer. Durch die Fenster kammen (so erzählt er es) zwei Gestalten in weißen Tuniken und schoren den Liegenden und zogen sich auf dem Weg zurück, auf dem sie gekommen waren. Auch diesen zeigte der Tag geschoren und die Haare herum verteilt.
(14) Nichts Bemerkenswertes folgte, außer zufällig, dass ich nicht angeklagt wurde, was der Fall gewesen wäre, wenn Domitian, unter dem dies passiert ist, länger gelebt hatte, Denn in seinen Aktenschrank wurde eine Anklageschrift, die von Carus gegeben worden war, über mich gefunden; daraus kann man darauf schließen, dass die abgeschnittenen Haare der Meinigen ein Zeichen für die vertriebene Gefahr, die drohte, gewesen ist, weil es bei Angeklagten Sitte ist, sich die Haare wachsen zu lassen.
(15) Deshalb bitte ich dich, dass du deine Gelehrsamkeit bemühst. Die Sache ist es wert, dass du möglichst lange und viel nachdenkst; nicht einmal ich bin es unwürdig, dass du mir eine Menge deines Wissens zu Teil hast.
(16) Es ist auch erlaubt, in beide Richtungen zu erörtern (wie du es gewöhnlich tust), zur anderen dennoch stärker, damit du mich nicht im Ungewissen und Unsicheren lässt, weil ich einen Grund hatte, dich zu fragen, damit ich aufhören zu zweifeln. Leb wohl.
I'm afraid of no ghost!
Messy am 31. 7. 2001