PLINIUS' BRIEFE

Epistula IX, XXXIII

(1) Ich bin auf eine wahre Begebenheit gestoßen, die einer erdichteten aber sehr ähnlich ist, und deiner sehr fröhlichen und völlig poetischen Begabung sehr würdig ist; ich bin aber darauf gestoßen, während nach dem Essen verschiedene Wunder von hier und dort berichtet werden. Der Urheber hat Glaubwürdigkeit: Freilich, was sollen Dichter mit Glaubwürdigkeit? Dieser ist dennoch ein Erzähler, dem du freilich beim Schreiben eines Geschichtswerkes geglaubt hättest.

(2) In Afrika gibt es die meernahe Kolonie Hippo. Nahe an ihr liegt ein beschiffbares Gewässer; aus diesem taucht nach Art eines Flusses eine Strömung auf, die im gegenseitigen Wechsel, je nachdem ob die Flut entweder zurück- oder hineindrängt, nun ins Meer gebracht wird, dann dem Gewässer zurückgegeben.

(3) Hier hält sich jedes Alter im Eifer zum Fischen, Segeln und auch Schwimmen auf, besonders die Jungen, die die Ruhe und das Spiel erfreut. Bei diesen ist es rühmlich und tugendhaft, besonders weit hinaus zu schwimmen: Sieger ist der, der am weitesten die Küste wie auch die gleichzeitig Schwimmenden hinter sich gelassen hat.

(4) In diesem Wettstreit entfernte sich eine ziemlich kühner Junge von den Übrigen ziemlich weit. Ein Delphin begegnete ihm, und schwimmt dem Jungen jetzt voraus, jetzt folgt er ihm, jetzt schwimmt er um ihn herum, zuletzt hebt er ihn hoch, lässt ihn wieder hinunter, hebt ihn hoch und trägt den Zitternden zuerst aufs hohe Meer, bald wendet er sich zur Küste und gibt ihn der Erde und den Gleichaltrigen zurück.

(5) Durch die Kolonie schleicht sich das Gerücht; alle laufen zusammen, um den Jungen selbst sowie das Wunder zu betrachten, um zu fragen, hören und zu erzählen. Am nächsten Tag besetzen sie den Strand, schauen aufs Meer hinaus und alles, was dazu gehört. Die Jungen schwimmen, darunter auch jener besagte, aber vorsichtiger. Wieder kommt der Delphin rechtzeitig, wieder zum Jungen. Jener flieht zusammen mit den anderen. Der Delphin springt, als wolle er ihn einladen und zurückrufen, aus dem Wasser, taucht unter, zieht verschiedene Kreise um ihn und gibt ihn wieder frei.

(6) Dies passiert am zweiten, am dritten und den weiteren Tagen, bis die Scham über die Furcht die mit dem Meer aufgewachsenen Menschen überkommt. Sie kommen hinzu, spielen und rufen ihn, berühren ihn und betatschen ihn überall, wenn es es gewährt. Mit dem Versuch wächst die Kühnheit. Besonders der Junge, der ihn zuerst erfahren hat, schwimmt zum Schwimmenden hin, springt ihm auf den Rücken, wird hinaus und wieder zurückgetragen, glaubt, dass er erkannt und geliebt wird und liebt selbst; keiner der beiden fürchtet sich, keiner wird gefüchtet; bei diesem wächst das Vertrauen, bei ihm der Sanftmut.

(7) Einige andere Jungen schwimmen rechts und links gleichzeitig und ermuntern, feuern an. Zusammen mit ihm (auch dies ist wundersam) kam ein anderer Delphin, aber nur als Betrachter und Begleiter. Denn er machte nichts ähnliches oder ließ es zu, sondern führte den anderen hinaus und wieder zurück, wie die übrigen Jungen den Knaben.

(8) Unglaublich, dennoch so wahr wie das vorige, war es der Delphin gewohnt, als Träger und Mitspieler der Jungen auch auf die Erde gezogen zu werden, und wenn er vom Sand getrocknet war, ins Meer sich zurückzog, sobald es ihm zu heiß geworden war.

(9) Es ist bekannt, dass Oktavius Avitus, der Gesandte des Prokonsuls, über ihn, nachdem er auf den Strand gezogen worden war, aus einem verkehrten Aberglauben eine Salbe gegossen habe, vor dessen Neuheit und Geruch er auf das Meer geflohen sei, und erst nach vielen Tagen schlaff und traurig gesehen wurde, aber bald, nachdem er wieder zu Kräften gekommen war, die frühere Ausgelassenheit und die gewohnten Kunststücke wieder aufgenommen.

(10) Alle Beamten strömten zum Schauspiel zusammen, durch deren Ankunft und Aufenthalt das kleine Gemeinwesen durch neue Ausgaben geschwächt wurde. Zuletzt verlor der Ort selbst seine Ruhe und Abgeschiedenheit: man beschloss, zu töten, wohin man zusammenlief.

(11) Mit welcher Klage, mit welcher Menge wirst du dies beweinen, schmücken, steigern! Es ist jedoch nicht nötig, dass du etwas hinzuerdichtest oder hinzufügst; es genügt, dass das, was wahr ist, nicht vermindert wird. Leb wohl.

WWF wird sich freuen... Messy am 31. 7. 2001