Der Verfall der alten Zeit (Sal. Cat. 1.6-13)
(6). Die Stadt Rom, so wie ich vernommen habe, gründeten und hielten zu Beginn die Trojaner, die unter der Führung des Aeneas fliehend auf unsicheren Wohngebieten umherstriffen und mit ihnen die Ureinwohner, ein ländliches Menschengeschlecht, ohne Gesetze, ohne Befehl, frei und gelöst. Nachdem diese in Mauern zusammengekommen sind, jeder von ungleichem Geschlecht, unähnlicher Sprache, der eine nach der Sitte des anderen lebend, ist es unglaublich zu erwähnen, wie leicht sie zusammenwuchsen: in so kurzer Zeit war eine unstete und völlig verschiedene Menschenmenge zu einem Staat geworden. Aber nachdem der Staat durch deren Bürger, Sitten und Ächer gefördert günstig und stark genug schien, entstand, so wie es meistens bei den Sterblichen geht, aus dem Reichtum Neid. Also versuchten es benachbarte Könige und Völker mit Krieg, wenige von den Freunden waren hilfreich; denn die übrigen waren von Furcht erschüttert fern von den Gefahren. Doch die Römer sind eifrig in Krieg und im Frieden, beeilen sich, treffen Vorbereitungen, der eine ermahnt den anderen, den Feinden entgegen zu gehen, die Freiheit, das Vaterland und die Eltern mit Waffengewalt zu schützen. Sobald sie die Gefahren durch ihre Tapferkeit vertrieben hatten, brachten sie den Bundesgenossen und Freunden Hilfe und bereiteten sich mehr durch das Geben als durch das Empfangen von Wohltaten Freundschaft. Sie hatten eine gesetzmäßige Herrschaft, der Name davon nannte sich Königreich. Ausgewählte, denen der Körper durch die Jahre schwach, die geistige Leistung aber durch Weisheit kräftig war, kümmerten sich um den Staat. Diese nannte man entweder wegen ihres Alters oder wegen der Sorge, die Vätern ähnlich war, patres. Dann, sobald die Königsherrschaft, die anfangs als Aufgabe hatte, die Freiheit zu bewahren und den Staat zu fördern, sich in Hochmut und Gewaltherrschaft verwandelte, schufen sie sich nach Änderung der Sitte jährliche Amtszeiten und je zwei Herrscher. Auf diese Weise glaubten sie, den menschlichen Geist durch die Zügellosigkeit am wenigsten übermütig machen zu können.
(7). Aber in dieser Zeit begann jeder, sich mehr emporzuheben und die Begabung öffentlich zu zeigen. Denn den Königen sind die Guten verdächtiger als die Schlechten und immer ist ihnen fremde Tugend schrecklich. Es ist unglaublich zu berichten, wie sehr der Staat nach Erlangung der Freiheit gewachsen ist: so große Begierde nach Ruhm hatte Einzug gehalten. Schon die Jugend lernte, sobald sie fähig zum Krieg war, im Lager durch Mühe den Gebrauch des Kriegsdienstes und sie hatten an schönen Waffen und Streitpferden mehr Lust als an Dirnen und Gelagen. Also war die Arbeit solchen Männern nicht ungewohnt, ihnen war kein Ort schroff oder schwierig, kein bewaffneter Feind ihnen schrecklich: die Tapferkeit hatte alles gezähmt. Aber unter ihnen selbst gab es den größten Wettkampf nach Ruhm: jeder eiferte danach, den Feind zu schlagen, eine Mauer zu erklimmen und bei so einer Tat gesehen zu werden. Das hielten sie für Reichtum, das für guten Ruf und große Berühmtheit. Begierig nach Lob waren sie, freigiebig mit Geld: sie wollten ungeheuren Ruhm, ehrenhaften Reichtum. Ich könnte erwähnen, an welchen Orten das römische Volk die größten Feindestruppen mit einer kleinen Schar zerstreut hat, welche Städte, die von Natur aus befestigt waren, es durch Kampf eingenommen hat, wenn diese Angelegenheit uns nicht weiter vom Vorhaben abbringen würde.
(8). Aber das Glück herrscht in jeder Angelegenheit; alle Dinge macht es mehr aus Willkür als aus Wahrheit berühmt und verdunkelt sie. Die Taten der Athener, so wie ich es meine, waren bedeutend und großartig genug, aber dennoch bedeutend weniger als es der Ruf sagt. Aber weil dort die großen Geister von Schriftstellern gediehen, wurden die Taten der Athener über den ganzen Erdkreis für die größten gefeiert. So ist die Leistung derer, die sie vollbracht haben, anscheinend so groß, wie sie die vortrefflichen Geister mit Worten hervorheben konnten. Doch das römische Volk hatte niemals diese Möglichkeit, weil gerade die Klügsten die Beschäftigsten waren: niemand übte seinen Geist ohne den Körper; gerade die Besten wollten lieber handeln als reden, wollten lieber, dass ihre Taten gut von anderen gelobt werden als selber die von anderen zu erzählen.
(9). Also wurden die Sitten zuhause und im Krieg gepflegt; die beste war Eintracht, die niedrigste Habgier; Recht und das Gute war bei ihnen nicht durch Gesetze stärker als von Natur aus. Gezänke, Zwietracht und Rivalitäten übten sie mit den Feinden aus, die Bürger wetteiferten miteinander um die Tugend. Beim Götteropfer waren die prunkliebend, zuhause sparsam, Freunden gegenüber treu. Mit diesen beiden Künsten, durch Kühnheit im Krieg, sobald durch Gerechtigkeit Frieden geglückt war, sorgten sie für sich und den Staat. Für diese Dinge habe ich dies als schlagendste Beweise, dass im Krieg öfters gegen die vorgegangen wurde, die wider dem Befehl gegen den Feind gekämpft haben und die, obwohl man sie zurückgerufen hatte, recht langsam sich aus der Schlacht zurückgezogen, als gegen die, die es gewagt hatten, die Feldzeichen zurückzulassen oder vertrieben vom Platz zu weichen; weil sie im Frieden aber ihre Macht durch Wohltaten als durch Furcht betrieben, wollten sie lieber erlittenes Unrecht verzeihen als verfolgen.
(10). Aber sobald durch Mühe und Gerechtigkeit der Staat gewachsen war, die großen Könige durch Krieg gezähmt, die wilden Stämme und ungeheuren Völker gewaltsam unterworfen, Carthago, das dem römischen Reich nacheiferte von der Wurzel an zugrunde ging, alle Meere und Länder offenstanden, begann das Glück zu wüten und alles zu verwirren. Denen, die Mühen, Gefahren, zweifelhafte und rauhe Situationen leicht erduldet hatten, waren Ruhe und Reichtum, sonst wünschenswerte Dinge, eine Last und ein Elend. Also wuchs zuerst die Begierde nach Geld, dann nach Macht: dies war gleichsam der Grundstoff für alles Übel. Denn Habgier wandelte Treue, Rechtschaffenheit und alle übrigens guten Künste; Stattdessen lehrte sie, Hochmut, Grausamkeit, die Vernachlässigung der Götter und alles Käufliche zu haben. Ehrgeiz zwang viele Menschen falsch zu werden, das eine verschlossen in der Brust, das andere bereit auf der Zunge zu haben, Freund- und Feindschaften nicht von sich aus, sondern nach dem Nutzen zu beurteilen und mehr eine gute Miene als eine gute Begabung zu haben. Dies nahm zuerst allmählich zu, manchmal wurde es bestraft. Nachdem dieser schlechte Einfluss wie ein Verderbnis eingedrungen war, änderte sich der Staat; das Reich machte man von dem gerechtesten und besten zu einem, das grausam und unerträglich war.
(11). Aber anfangs plagte der Ehrgeiz die Herzen der Menschen mehr als Habgier, was dennoch ein Laster, das der virtus näher steht. Denn Ruhm, Ehre und Macht wünschen sich der Tüchtige wie der Untätige in gleicher Weise, aber jener stützt sich auf den wahren Weg, dieser aber kämpft sich, weil ihm gute Eigenschaften fehlen, mit List und Betrug dorthin. Die Habgier hält den Eifer nach Geld, den niemand, der weise ist, erwünscht hat: diese verweichlicht den Körper und den männlichen Geist wie mit bösem Gift getränkt, ist immer unbegrenzt und unersättlich, und wird weder durch Vorrat noch durch Not gemindert. Aber nachdem L. Sulla den Staat mit Waffengewalt an sich gerissen hatte und nach guten Anfängen zu schlimmen Ergebnissen gekommen war, raubten und schleppten alle ihre Sachen, der eine begehrte das Haus, der andere die Äcker, die Sieger hatten weder ein Maß noch eine Mäßigung und führten gegen ihre Mitbürger grässliche und grausame Untaten aus. Hinzu kam noch, dass L. Sulla das Heer, das er nach Asien geführt hatte, um es sich treu machen, gegen die Sitte der Vorfahren verschwenderisch und allzu freigiebig gehalten hatte. Liebliche und verführerische Orte hatten die trotzigen Herzen der Soldaten in der Ruhezeit leicht verweichlicht: dort hatte sich das Heer des römischen Volkes zuerst daran gewöhnt, zu lieben, zu trinken, Zeichen, bemalte Tafeln und zieselierte Gefäße zu bewundern, sie privat und öffentlich zu rauben, Tempel zu plündern und alles Heilige und Nicht-Heilige zu beschmutzen. Nachdem jene Soldaten also den Sieg errungen hatten, machten sie es, dass den Besiegten nicht übrig gelassen wurde. Freilich ermattet das Glück (auch) die Herzen der Weisen, geschweige denn, dass jene durch ihren verdorbenen Charakter ihren Sieg gemäßigt hätten.
(12). Nachdem der Reichtum begann, ehrbar zu sein und Ruhm, Macht und Gewalt ihm folgte, begann die Leistung abzustumpfen, die Armut für Schande und die Unschuld für Boshaftigkeit gehalten zu werden. Also griffen Verschwendungssucht und Habgier zusammen mit Hochmut wegen des Reichtums die Jugend an: sie raubten und verbrauchten, hielten ihr Hab und Gut für gering, wollten Fremdes, Scham und Schamhaftigkeit, Göttliches und Menschliches vermischt, auf nichts legten sie Gewicht und waren unmäßig. Lohn für die Arbeit ist es, wenn man Häuser und Landhäuser erkannte, die in der Art von Städten gebaut wurden, die Tempel der Götter zu sehen, die unsere Vorfahren, äußerst ehrfürchtige Menschen, geschaffen haben. Aber jene schmückten ihre Heiligtümer der Götter mit Rechtschaffenheit und ihre Häuser mit Ruhm und raubten den Besiegten nichts außer der Freiheit auf Unrecht: doch diese dagegen (heute), äußerst untätige Menschen, nahmen durch das höchste Verbrechen den Genossen all das weg, das die tapfersten Männer als Sieger zurückgelassen hatten, ebenso als ob Unrecht tun erst Macht ausüben hieße.
(13). Denn wozu soll ich erwähnen, was nur denjenigen, die es sahen, glaubwürdig ist, nämlich dass die Berge von mehreren Privatleuten umgestürzt und Meere bedeckt worden sind? Mir scheint es, dass mit diesen der Reichtum seinen Spott getrieben hat: was sie auf ehrliche Weise haben durften, beeilten sie, durch Schändlichkeit zu missbrauchen. Aber die Lust nach Unzucht, Saufen und der übrigen Verschwendung war nicht weniger einhergeschritten: Männer ließen sie wie Frauen gebrauchen, Frauen boten ihre Züchtigkeit feil; um sich zu ernähren, durchsuchten sie alles auf der Erde und dem Meer; sie schliefen, bevor das Bedürfnis nach Schlaf da war, sie warteten weder Hunger oder Durst noch Kälte noch Mattigkeit ab, sondern nahmen in ihrer Verschwendung alles vorweg. Dies entflammte die Jugend zu Untaten, sobald das Vermögen der Familie ausgegangen war: der Geist, der von bösen Eigenschaften erfüllt war, entbehrte nicht leicht der Begierden; umso verschwenderischer hatte er sich auf jede Art und Weise dem Erwerb und dem Aufwand hingegeben.