SENECA "De clementia"
Zorn oder Milde? (I, 2-3)
Aber es ziemt sich dennoch
nicht, im Allgemeinen (allen Leuten) zu verzeihen. Denn sobald der Unterschied
zwischen guten und schlechten Menschen einmal aufgehoben ist, folgt Verwirrung
und ein Ausbruch an Lasterhaftigkeiten. Deshalb ist Mäßigung anzuwenden,
die es versteht, heilbare Talente von als verloren beweinten zu unterscheiden.
Und es gehört sich nicht, eine vermengte und allgemeine Milde zu zeigen
noch eine strikt abgetrennte.
Dennoch ziemt sich Milde von allen Leuten für keinen mehr als für
einen König oder Prinzeps: Denn große Kräfte sind schicklich
und ruhmvoll, wenn ihnen zuträgliche Macht innewohnt; denn es ist eine
schädliche Kraft, nur Macht zu haben, um (anderen) zu schaden.
12.06.2014