Tacitus' "Annales"

Tod und Begräbnis von Kaiser Augustus (ann. 1.5-9)


5.) Während sie dies und solches behandelten, wurde der Gesundheitszustand des Augustus schlimmer, und freilich vermuteten sie ein Verbrechen seiner Gattin dahinter. Denn das Gerücht war aufgekommen, dass Augustus vor wenigen Monaten, nach dem Auswählen von Mitwissern und Fabius Maximus als einzigem Begleiter, nach Plarasia gefahren sei, um Agrippa zu besuchen; dort habe es auf beiden Seiten viele Tränen und Zeichen von Zuneigung gegeben, sowie Hoffnung, dass der Jüngling den Penaten des Großvaters wiedergegeben werden werde: dies habe Maximus seiner Gattin Marcia offenbart und jene der Livia. Dies sei dann Caesar bekannt gemcaht worden; und nachdem nicht viel später Maximus getötet worden war, wobei es zweifelhaft gewesen ist, ob er selbst den Tod gesucht hatte, habe man an dessen Begräbnis das Stöhnen der Marcia gehört, die sich selbst beschuldigte, der Grund für den Tod ihres Ehemannes gewesen zu sein. We auch immer es sich verhielt, kaum hatte Tiberius Illyricum betreten, wurde er durch einen Eilbrief seiner Mutter wieder herbeigeholt; es ist nicht genug in Erfahrung gebracht worden, ob er Augustus bei der Stadt Nola noch am Leben oder schon tot aufgefunden hat. Denn mit scharfen Wachposten hatte Livia das Haus und die Wege umzäunt, und manchmal wurden glückliche Nachrichten verbreitet, solange bis das, was die Zeit erforderte, vorgesorgt war und dann dasselbe Gerücht bekannt wurde, dass Augustus verschieden sei und sich Nero des Staates bemächtigt habe.


6.) Die erste Untat des neuen Prinzipats war der Tod des Postumus Agrippa, den, als er unwissend und unbewaffnet war, ein Zenturio nur mit Mühe umbrachte, wie sehr er auch in seinem Beschluss bestärkt war. Über diese Begebenheit diskutierte Tiberius vor dem Senat gar nichts. Er heuchelte vor, es sei ein Befehl des Vaters gewesen, in dem er dem tribunischen Wachposten, der dazugestellt worden war, vorgeschrieben habe, nicht zu zögern, Agrippa zu töten, wenn er selbst seinen letzten Lebtag ausgefüllt habe. Zweifellos hatte Augustus viele wütende Dinge über den Charakter des Jünglings geklagt und hatte dann erreicht, dass dessen Verbannung durch einen Senatsbeschluss bestätigt wurde. Im Übrigen hielt er es nie aus, es jemals zum Tod von einem seiner Familienangehörigen kommen zu lassen, und es wäre nicht glaubhaft gewesen, wenn er den Tod seinem Enkel gebracht hätte, um die Sicherheit des Stiefsohnes zu gewährleisten. Näher an der Wahrheit ist es, dass Tiberius und Livia – er aus Furcht, sie aus stiefmütterlichem Hass – dem Tod des verdächtigten und verhassten Jünglings auf die Sprünge geholfen haben. Dem Zenturio, der nach Sitte des Kriegswesens meldete, dass es so, wie er es befohlen hatte, ausgeführt worden sei, hat er geantwortet, er habe es nicht befohlen und der Grund für die Tat müsse an den Senat weitergegeben werden. Nachdem Sallustius Crispus, der von dessen Geheimnissen wusste (der hatte an den Tribunen ein Brieflein geschickt), das erfahren hatte, warnte er aus Furcht, dass er als Angeklagter vorgeschoben wird, und dabei Erfundenes wie auch Wahres gefährlich war, Livia, Geheimnisse der Familie, Pläne der Freunde und Dienste der Soldaten zu verbreiten und dass Tiberius die Macht des Prinzipats auflöste, dadurch dass er alles vor den Senat bringe: denn dies sei die Bedingung fürs Herrschen, dass ein Rechenschaftsbericht nur dann Bestand hat, wenn er einem einzigen zurückgegeben werden soll.


7.) Doch in Rom stürzten sich Konsuln, Senatoren und Ritter in die Knechtschaft. Je berühmter jemand war, desto mehr war er falsch und eilfertig, und nachdem sie ihre Mienen geordnet hatten, um über den Tod des Prinzeps nicht glücklich und über den Amtsantritt des neuen nicht zu traurig zu scheinen, vermischten sie Tränen und Freude, Klage und Schmeichelei. Sextus Pompeius und Sextus Appuleius schwörten als erste Konsuln auf die Worte des Kaisers Tiberius und bei diesen waren auch sein Strabo und C. Tunanius, er Präfekt über die Prätoriatskohorten, der andere über die Getreideversorgung; bald der Senat, die Soldaten und das Volk. Denn alles begann Tiberius durch Konsuln, als ob es zur Zeit der alten Staatsform und er unschlüssig über das Herrschen gewesen sei: nicht einmal das Edikt, mit dem er Senatoren in die Kurie berief, legte er ohne den Titel seiner tribunizischen Macht ab, die er unter Augustus empfangen hatte. Die Worte des Edikts waren spärlich und von sehr zurückhaltendem Ton: er sei im Begriff, über die Ehren für eseinen Vater zu beratschlafen, er gehe nicht von seinem Leichnam weg und er gebrauche dies als das einzige der öffentlichen Ämter. Aber nach dem Verscheiden des Augustus hatte er den Prätorenkohorten wie ein Imperator ein Zeichen gegeben; Wachen, Waffen und das übrige des Herrscherhauses war dabei. Ein Soldat begleite ihn auf das Forum, ein Soldat in die Kurie. Er schickte einen Brief an das Heer als ob er das Prinzipat verliehen bekommen hätte, nirgends sprach er zögerlich, außer wenn er im Senat. Sein hauptsächlicher Grund entsprang aus der Furcht, dass Germanicus, in dessen Hand so viele Legionen und eine unermessliche Anzahl von Hilfstruppen der Bundesgenossen waren, der beim Volk erstaunliches Wohlwollen genoss, lieber Macht haben als auf sie warten wollte. Er gab auch auf seinen Ruf acht, so dass er lieber vom Staat berufen und gewählt zu sein schien, als sich durch Amtserschleichung der Ehefrau und die Adoption eines Greises eingeschlichen zu haben. Später wurde bekannt, dass er das Zaudern eingeführt hatte, um auch in den Willen der Aristokraten zu schauen. Denn die Worte und die Mienen verbarg er im Inneren und verdreht sie dabei zu seinem Verbrechen.


8.) Am ersten Tag ließ er nichts anderes verhandeln außer über die Leichenfeier für Augustus, dessen Testament, das von Jungfrauen der Vesta hereingetragen wude, als Erben Tiberius und Livia verliehen; als Erben zweiten Ranges hatte er die Enkel und Urenkel schriftlich festgelegt, als die dritten Ranges die oberen Staatsperson, wobei die meisten davon ihm verhasst waren, aber dies tat er auch Prahlerei und für den Ruhm bei seiner Nachwelt. Das Vermächtnis stieg nicht über das gewöhnliche Maß, außer dass er dem Volk und der Plebs 43.500.000, den Soldaten der Prätorenkohorten für jeden 1000 Münzen, [den Stadtkohorten je 500], den Legionärs- oder Bürgerkohorten der Römer Mann für Mann je dreihundert gab. Danach wurde über die Ehrungen beratschlagt: von denen, die besonders herausragend waren, meinte Gallus Asinius, der Leichenzug solle durch ein Triumphtor gezogen werden und L. Arruntius, die Titel der von ihm eingebrachten Gesetze und die Namen der von ihm besiegten Völker sollen vorangetragen werden. Messala Valerius fügte eine heilige Handlung hinzu, die jährlich auf den Namen des Tiberius wieder erneuert werden müsse. Auf die Frage des Tiberius hin, ob er auf seine Anweisung hin diesen Antrag hervorgeholt habe, antwortete er, er habe es von sich aus gesagt und bei dem, was sich auf den Staat beziehe, werde er nur seinem Rat folgen, sogar mit der Gefahr des Anstoßes. Nur diese Form von Kriecherei war übrig geblieben. Die Senatoren riefen zusammen, dass der Leichnam auf den Schultern der Senatoren zum Scheiterhaufen getragen werden müsse. Der Kaiser ließ mit anmaßender Mäßigung nach und warnte das Volk durch das Edikt, wie sie einst das Begräbnis des göttlichen Julius mit zu viel Eifer gestört hätten, zu wollen, dass so Augustus eher auf dem Forum als auf dem Marsfeld, dem bestimmten Wohnsitz, verbrannt wird. Am Tag der Beerdigung standen die Soldaten wie auf einem Schutzposten, wobei die viel spotteten, die noch jenen Tag selbst gesehen und von ihm von den Eltern gehört hatten, jenen Tag der noch ungeschlachten Knechtschaft und der unglücklich wiederholten Freiheit, zu der Zeit, als der Alleinherrscher Caesar, den man getötet hatte den einen als übelste Schandtat, den anderen die schönste überhaupt erschien: nun müsse der greise Prinzeps, der lange politische Macht inne hatte und sich um die Macht seiner Erben gekümmert hatte, um sie gegen den Staat zu verwenden, natürlich mit militärischer Hilfe geschützt werden, damit sein Begräbnis ruhig sei.


9.) Dann wurden über Augustus selbst viele Reden gehalten, wobei man sich meistens über nichtige Dinge wunderte, dass nämlich serselbe Tag, an dem der Prinzeps einst die Macht empfangen hatte, auch der letzte seines Lebens war, das er in Nola im Hause und dem Schlafzimmer, in dem dessen Vater Oktavius sein Leben beendet habe, gestorben sei. Auch seine Anzahl von Konsulaten wurde gefeiert, durch die er dem Valerius Corvus und Gaius Marius gleich gezogen hatte; durch 37 Jahre hindurch sei seine tribunizische Gewalt fortgesetzt worden, der Titel „Imperator“ sei 21 mal hervorgebracht und andere Ehrentitel für ihn vielfach erwiesen oder extra neu geschaffen worden. Doch bei den Gebildeten wurde dessen Leben verschieden gelobt oder getadelt. Die einen sagten, er sei durch Pflichtbewusstsein dem Vater gegenüber und der Notlage des Staates, in dem es damals für Gesetze keinen Platz gab, zu den Waffen des Bürgerkriegs getrieben worden, der durch die guten Künste weder vorbereitet noch geführt werden konnte. Vieles habe er dem Antonius, solange er sich an den Mördern seines Vaters rächte, vieles dem Lepidus zugestanden. Nachdem dieser in Schwachsinnigkeit alt geworden war, und der andere durch seine Gelüste zu Boden gedrückt worden war, habe es für die Heimat, die uneinig war, kein anderes Heilmittel gegeben, als dass es von einem einzigen geleitet werden solle. Der Staat sei nämlich nicht durch das Königreich oder die Alleinherrschaft, sondern durch den Begriff „Prinzeps“ beschlossen worden; das Reich sei durch den Ozean oder durch weit entfernte Ströme festgesetzt; Legionen, Provinzen, Flotten, alles sei untereinander verknüpft; das Reich sei bei den Bürgern, Mäßigung bei den Bundesgenossen; die Stadt selbst sei von prächtiger Ausstattung. Wenig sei völlig gewaltsam behandelt worden, wodurch die übrigen Ruhe hatten.