Die Matrix

Wer kennt ihn nicht, den Film, der das Actiongenre mit neuen Effekten revolutionierte? Hoch philosophisch, darf natürlich auch Latein in diesem Streifen nicht fehlen, wenn auch nur als nettes Schildchen über der Küchentür des Orakels. "Temet nosce": Erkenne dich selbst. Ist richtig, auch wenn die Stellung etwas komisch ist. Im Imperativ steht das Verb ja in der Regel vorne, also "Nosce temet!" Außerdem glaube ich, dass so Sachen wie "egomet, temet" etc. immer vorne stehen. Von da her gleich zweimal COOL!
Einmal wegen einer syntaktischen Feinheit, zum anderen, weil ich ewig gebraucht habe, um herauszufinden, dass "temet" von "tumet" kommt. Und Neo versteht kein Wort. Und das, wo er doch der Auserwählte ist. Der Weltretter hat von Latein keine Ahnung. Wo kommen wir denn dahin?
Dass "Temet" vorne steht, liegt vermutlich auch daran, dass dieser Spruch ein recht geflügeltes Wort zu sein scheint. Die Anglisten übersetzen es brav und leicht archaisch mit "Know thyself". Und ich glaube mich zu erinnern, dass auf der Platte "Isis & Osiris" von Johannes Heil derselbe Spruch in der gleichen Stellung zu lesen war. Mittlerweile kann ich auch sehr wohl belegen, dass „temet nosce“ eine feste Wendung ist. Kein geringerer als Cicero hat sie geprägt. Und jetzt bitte alle in die Ecke und schämen, die das nicht wussten. Keine Angst, ich geh ja mit…
Da ja die Matrix jetzt in die zweite Runde gegangen ist, könnte es vielleicht für den Rest der Welt interessant sein, mal ein bisschen was über ein paar der mythischen Namen zu erfahren, die da gelegentlich rumwuseln.
Aus dem ersten Teil ja noch in lebhafter Erinnerung ist unser Morpheus. Sein Name ist garantiert bewusst gewählt. Denn die Wachowski-Brüder, die sich für den Film als Schreiber, Regisseure und sonst noch was verantwortlich machen, gelten als außerordentlich belesene und kluge Köpfe. Das hat ihnen sogar ein Reporter des Time Magazine bestätigt, der sich bei einem Gespräch mit den beiden plötzlich in eine riesige Diskussion über Schopenhauer verwickelt sah. Morpheus, jedenfalls, gilt in der Antike als der Gott des Schlafes. Er ist quasi der Prototyp des Sandmännchens und lässt die Leute einschlafen, aber auch wieder aufwachen. Und genau das tut ja unser Morpheus in der Matrix mit Neo. Er weckt ihn aus der Illusion der Matrix auf. Er bringt ihn dazu, seine Augen vor der bitteren Wahrheit zu öffnen, nicht mehr in der wohligen Lithargie zu schlummern, in der die Maschinen ihm alles als perfekt vorgaukeln.
Leider wurde dieser Zusammenhang zwischen antikem Namen und seiner Bedeutung nicht konsequent einbehalten. Aber das kann man niemandem zur Last legen. Wenn die Eltern ihr Kind heute Siegfried nennen (Gott bewahre, wenn das in den heutigen Zeiten noch passieren sollte!), erwarten sie ja auch nicht, dass der kleine Spross irgendwann einen Drachen erschlägt... In „Matrix Reloaded“ ist man dann zu dem Prinzip übergegangen, nach dem heute alle Eltern ihren Kindern die Namen geben. Weil sie gut klingen. Und jetzt mal ehrlich. Klingen antike Namen nicht noch ne Spur mystischer? Deswegen hat die „Osiris“ in den „Animatrix“ ihren letzten Flug vor sich, deswegen fliegt Morpheus in seiner Nebukanezzar durch die Weiten, deswegen tauchen in Teil 2 solche Namen wie Niobe oder Persephone auf. Die sind zwar griechisch, aber den Römern durchaus auch ein Begriff gewesen.