Ist
er nicht schön? Ja, das ist er. Für Unter-Fünfziger ist der neue
Volkswagen wahrscheinlich sowieso utopisch, aber man wird ja noch träumen
dürfen... Ich hab den Phaeton noch nie im Straßenverkehr gesehen,
aber ich kann mir schon vorstellen, dass das Ding die Ausmaße eines Leichenwagens
hat. Auch ansonsten besticht das schnuckelige Gefährt durch allerhand Extras
und Komfort, dass man dem Wagen den Begriff Oberklasse-Limousine
zweifellos zuerkennen muss. Natürlich verdient soviel Extravaganz auch
einen extravaganten Namen. Und den hat Wolfsburg ihm auch gegeben. Phaeton.
Damit begibt sich VW unfreiwillig in mythische Gebiete. Und da liegt ein kleines
Problem...
Cool: Antike Namen geben jedem Namensträger ein erhabenes Image.
Es macht sie noch eine Spur stylischer. Vorausgesetzt, sie hätten auch
ohne den Namen Style. Deswegen heißt das Schiff aus der Matrix Nebukadnezzar,
das Raumschiff aus Odysseus 3000 (kennt die Serie noch jemand?) Ulixes (was
auch ausgemachter Blödsinn ist...)............. So haben wir jetzt also
den neuen VW, der den Namen des Sol-Sohnes trägt. Göttliche Abstammung,
schön und gut, ist ja auch ein tolles Auto. Doch warum hat keiner in Wolfsburg
die Geschichte von Phaeton weitergelesen? Denn da verbirgt sich ein großes
Minus...
Phaeton erfährt von seiner Mutter, dass er ein Götterkind ist, und
macht sich gleich auf den Weg zu seinem Vater Sol. Der bestätigt ihm seine
göttliche Herkunft. Das aber ist Phaeton nicht genug. Er will vom Vater
eine Bestätigung haben. Sol schlägt ihm vor, dass er sich wünschen
darf, was immer er auch will. Es kommt so wies kommen muss. Denn der kleine
Sohnemann wünscht sich das, was auch heute noch der Alptraum eines jeden
Familienvaters ist: Den Wagen des Papas fahren. Was bei Sol noch erschwerend
hinzu kommt: Sein Wagen ist nicht irgendeiner (das sagen aber auch die Papis
immer über ihr Auto). Der Sonnenwagen, in dem Sol tagsüber saß,
beförderte den Gott im Laufe des Tages von Osten nach Westen. Er war also
für den Lauf der Sonne verantwortlich. Am Abend taucht er ins Meer und
beginnt am Morgen seine Arbeit von neuem. Aber der Papa kann nun mal den Wunsch
nicht ausschlagen. Er gibt ihm mahnende Ratschläge, wie er zu fahren hat,
lehrt ihn, welche Verantwortung auf Phaeton lasten wird, und zeigt ihm den richtigen
Kurs. Letzteres verlangt besonderes Geschick, denn weicht man von der Linie
zu sehr nach oben ab verbrennen die Häuser der Götter. Kommt man zu
tief, brennt die Erde. Und es kommt wie es kommen muss. Die Pferde rasen, weil
Phaeton die Zügel nicht so wie der Vater führt, schneller als sonst.
Der Wagen hüpft bei jedem Stoß hoch in die Luft, weil er mit dem
jungen Phaeton darin zu leicht ist. Der Wagen kommt vom regulären Weg ab:
die Pole beginnen zu schmelzen, Wälder geraten in Brand. Auch geht die
dunkle Hautfarbe der Aethiopier nach Ovid auf Phaethons Kappe. Denn ihr Blut
trat unter der Hitze an die Hautoberfläche. Libyen trocknet aus. Bald steht
die ganze Welt in Flammen. Der kleine Phaethon bekommt es mit der Angst. Er
macht den Fehler, nach unten zu sehen und gerät in Panik. Jupiter setzt
dem ganzen Tumult dann ein Ende, indem er Phaeton mitsamt dem Sonnenwagen vom
Himmel befördert. Und zwar mit seinen berühmten Blitzen.
So ist Phaeton in der Mythologie kein Gefährt, wie das gleichnamige Auto, sondern der Name des wohl größten Unglücksfahrers der Antike. Und dieser Namen führt jetzt die Oberklasse in Wolfsburg an. Aber sagt es keinem weiter, sonst bin ich am Ende für den Konkurs verantwortlich...